Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem selbständig Tätigen. Tätigkeit im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber bei Einkünften von mindestens 5/6 aus dieser Tätigkeit. Dauerhaftigkeit der Tätigkeit. keine Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
4. Die Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI tritt unabhängig davon ein, ob anderweitig Vorsorge für das Alter getroffen wurde.
Orientierungssatz
1. Nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB 6 ist versicherungspflichtig eine als Selbständig tätige Person, die keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist. Das Erfordernis, im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein, wird von der Praxis als erfüllt angesehen, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten erzielt.
2. Von einer Dauerhaftigkeit für einen Auftraggeber ist dann auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt. Entscheidend ist nicht das Unternehmenskonzept des selbständig Tätigen, sondern ausschließlich die Tatsache, ob für einen einzigen Auftraggeber gearbeitet wird.
3. Für das Kriterium der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers kommt es nicht darauf an, ob der Selbständige berechtigt wäre, einen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter zu beschäftigen. Entscheidend ist allein, ob er einen solchen tatsächlich beschäftigt. Dieser muss zum Selbständigen selbst und nicht zu einem Dritten in einem formalen sozialversicherungsrechtlichen Rechts- und Pflichtenverhältnis stehen, vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2006 - B 12 RA 2/05 R.
Normenkette
SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. April 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) als Selbständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist.
Der am ... 1960 geborene Kläger meldete zum 29. April 1996 eine gewerbliche Tätigkeit als "Handelsvertreter für Firmenwerbung, Werbeagentur" an. In einem am 02. März 2004 bei der Beklagten eingegangenen Fragebogen gab er an, Erste-Hilfe- und Geschenke-Artikel zu vertreiben sowie für zwei Auftraggeber als Sachverständiger für Mauerwerkstrockenlegung tätig zu sein. Er erhalte auf Dauer mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte von einem Auftraggeber, und zwar - so teilte er auf Nachfrage mit - seit dem 01. Januar 2000. Er reichte u. a. einen Handelsvertretervertrag mit der Firma G. Abdichtungstechnik GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. G.) vom 01. Juni 2002 mit eben diesem Vertragsbeginn und einen Handelsvertretervertrag mit der Firma T. Mauerwerkstrockenlegung GmbH (im Folgenden: Fa. T.) vom 01. Oktober 2003 ein. Mit Schriftsatz vom 04. Oktober 2004 teilte der Kläger mit, bis zum 31. Dezember 2000 habe er für keinen Auftraggeber gearbeitet. Während dieser Zeit habe er Erste-Hilfe-Artikel (1999) und Glas- und Geschenkartikel (2000) auf dem freien Markt (Apotheken, Kaufhäuser, Märkte) verkauft. Seit Januar 2001 sei er als selbständiger Sachverständiger für Mauerwerkstrockenlegung tätig. Bei notwendigen Trockenlegungsarbeiten und auf Nachfrage der Eigentümer könne er von ihm ausgewählte Spezialfirmen empfehlen. Als seriöse Geschäftspartner hätten sich hierbei bisher die Firmen G. und T. herauskristallisiert. Er habe allerdings jederzeit die Möglichkeit, sich andere Geschäftspartner zu wählen, da er in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Firmen stehe.
Mit Bescheid vom 17. November 2004 stellte die Beklagte Versicherungspflicht vom 01. Januar 2000 bis zum 30. September 2003 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Dagegen legte der Kläger am 21. Dezember 2004 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, die Handelsvertreterverträge stünden einer Beurteilung als rentenversicherungsfrei nicht entgegen. Hinzu komme, dass er auch das Kriterium "keine eigenen Mitarbeiter" nicht erfülle. Er habe faktisch zwar keinen eigenen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigt. Es reiche aber aus, dass er berechtigt gewesen sei, eigene Mitarbeiter einzusetzen. Im Übrigen berief er sich auf ein Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26. März 2004 (S 8 RA 87/03). Die dortigen Ausführungen träfen auch auf ihn zu, da er angestrebt habe, für mehrere Auftraggeber tätig zu sein, und dies ab 01. Oktober 2003 auch tatsächlich so sei. Der Vertrag mit der Fa. Geißel habe jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden können, wenn bestimmte Umsatzziele nicht erreicht worden wären. Dies komme einer "normalen" Befristung glei...