Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. kein Anspruch auf Behandlung eines Prostatakarzinoms mit einer Protonentherapie. Nichtvorliegen eines Ausnahmefalls des Systemversagens angesichts des Abschlussberichts des Unterausschusses "Methodenbewertung" des G-BA vom 29.5.2008. kein (anteiliger) Kostenerstattungsanspruch in Höhe etwaiger ersparter Aufwendungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Behandlung eines Prostatakarzinoms stehen allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden zur Verfügung, denen gegenüber ein Vorteil der Protonentherapie - auch in Bezug auf Nebenwirkungen - bislang nicht belegt ist. Dies steht einem Leistungsanspruch aus § 2 Abs 1a SGB V grundsätzlich entgegen.

2. Angesichts des Abschlussberichts des Unterausschusses "Methodenbewertung" vom 29. Mai 2008 liegt insoweit auch kein Ausnahmefall des Systemversagens vor, bei dem eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt besteht.

3. Ein (anteiliger) Kostenerstattungsanspruch in Höhe etwaiger ersparter Aufwendungen scheidet aus.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenerstattung für eine durchgeführte Protonentherapie.

Bei dem 1937 geborenen und der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Kläger wurde im Mai 2006 eine Prostatektomie mit nachfolgender medikamentöser Androgenblockade durchgeführt. Wegen eines Anstiegs des PSA-Werts (Prostataspezifisches Antigen) erfolgten am 8. Februar bzw. 2. März 2010 in der Klinik für Nuklearmedizin des H. Klinikums B. eine Ganzkörperszintigraphie und eine PET/CT-Ganzkörperuntersuchung. Dabei fanden sich keine Hinweise auf eine ossäre Metastasierung oder ein Lokalrezidiv, jedoch eine unklare Raumforderung im Bereich des linken Lungenflügels (Arztbriefe vom 8. Februar und 2. März 2010). Eine am 1. Februar 2011 in der Klinik für Nuklearmedizin des Städtischen Klinikums D. vorgenommene PET/CT-Untersuchung ergab eine Lymphknotenmetastasierung, woraufhin der behandelnde Urologe des Klägers Dr. L. dessen Vorstellung beim Facharzt für Strahlentherapie und Innere Medizin Dr. C. zwecks Prüfung der Indikation einer Strahlentherapie veranlasste. Unter dem 15. Februar 2011 empfahl Dr. C. eine Testosteron-Bestimmung mit anschließendem antihormonellem Ausbau sowie eine zytostatische Therapie.

Unter Vorlage entsprechender Schreiben der Chirurgischen Klinik Dr. R. M. vom 15. sowie 18. März 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten im März 2011 die Übernahme der Kosten für eine Bestrahlungstherapie mit Protonen, die sich (voraussichtlich) auf 18.978,45 EUR belaufe. Bei der Wiedervorstellung im H. Klinikum B. am 4. März 2011 sei ein PSA-Wert von 23,48 ng/ml ermittelt und ihm gesagt worden, eine Bestrahlung mittels Tomotherapiegeräts könne wegen der Nähe zu gesunden Organen nicht durchgeführt werden. Die Beklagte holte hierzu vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) B. das Gutachten vom 8. April 2011 ein. Der Gutachter Dr. S. vom Fachbereich Onkologie/Palliativmedizin führte hierin aus, die gewünschte Protonentherapie stelle eine spezielle Form der perkutanen Strahlentherapie dar, die in den 1950er Jahren entwickelt worden sei. Ihr klinischer Einsatz spiele bisher keine tragende Rolle; eine Überlegenheit gegenüber einer Bestrahlung mit Photonen sei bislang nicht belegt. Ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) im Jahr 2006 eingeleitetes Stellungnahmeverfahren sei mit Entscheidung vom 19. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2018 ausgesetzt worden, um weitere Erkenntnisse zur Methode der Protonentherapie bei der Indikation Prostatakarzinom abzuwarten. Zu empfehlen sei die Vorstellung des Klägers in einer Strahlentherapieabteilung, in der auch stereotaxiegestützte, extrakranielle (minimalinvasive) Bestrahlungen vorgenommen werden könnten, z.B. am Universitätsklinikum L. bei Prof. Dr. K. oder am Klinikum F. bei Dr. W. Diese könnten auch beurteilen, ob eine Bestrahlung sinnvoll sei. Für den Fall ihrer Notwendigkeit könne sie auch perkutan mit Photonen unter Ausnutzung neuer technischer Verfahren (z.B. Körperstereotaxie, IMRT - intensitätsmodulierte Strahlentherapie) erfolgen. Alternativ stehe auf Vertragsbasis auch eine medikamentöse bzw. zytostatische Therapie zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 13. April 2011 lehnte die Beklagte daraufhin unter Bezugnahme auf das Gutachten den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 15. April 2011 Widerspruch und verwies zur Begründung darauf, dass das Bestrahlungszentrum in M. erst am 27. März 2009 eröffnet worden sei. Es habe auch alle erforderlichen Genehmigungen erhalten. Die Behauptung, das dort angewandte Verfahren sei noch nicht ausgereift, sei also unzutreffend. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass etwa 40 Krankenkassen mit einer Klinik für ein Verfahren Verträge abschlössen, das sich noch in der Erprobun...

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