Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Begriff der Krankheit. keine Kostenübernahme einer Hautstraffungsoperation nach extremer Gewichtsabnahme

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankheit liegt vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl BSG vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3).

2. Die Krankenkassen haben die Kosten einer Hautstraffungsoperation nach extremer Gewichtsabnahme grundsätzlich nicht zu übernehmen. Einer Hauterschlaffung kommt ein Krankheitswert allenfalls dann zu, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen vorliegen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine “Bodylift"- (Hautstraffungs-) Operation im Bereich der Oberschenkel, des Bauchs und des Oberkörpers als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

Der 1976 geborene Kläger ist von Beruf Maler und bei der Beklagten versichert. Zwischen 1999 und 2003 reduzierte er sein Körpergewicht um 70 kg. Er beantragte bei der Beklagten die Gewährung einer “Bodylift"-Operation. Die Beklagte ließ daraufhin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) ein Gutachten erstellen. Dr. K. vom MDK untersuchte den Kläger am 20. Juni 2003. In seinem Gutachten vom 4. Juli 2003 führte er aus: Der Kläger habe schon in der Kindheit ein erhöhtes Körpergewicht gehabt. Bei der Musterung 1997 habe er 155 kg gewogen. Nach einem Motorradunfall 1999 habe er in drei Jahren sein Gewicht schrittweise um 70 kg durch Diät und sportliche Betätigung reduziert. Hierdurch sei die Haut besonders im Bauchbereich und an den Brüsten sehr schlaff geworden und hänge. Anlässlich einer Vorstellung in der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, B. , sei ihm eine Hautstraffung empfohlen worden. Der Kläger wiege bei einer Größe von 1,91 m 88,4 kg. Beim Stehen hänge bei dem sonst schlanken Versicherten eine Bauchfalte ca. 4 bis 5 cm über. Oberhautveränderungen oder entzündliche Erscheinungen seien in diesem Bereich nicht feststellbar. Hinsichtlich der begehrten Operation bestünde allenfalls eine relative, keinesfalls eine absolute medizinische Indikation. Ein krankheitswerter Befund sei nicht festzustellen. Es handele sich vorwiegend um ein kosmetisches Anliegen. Bei der leistungsrechtlichen Entscheidung sollte allerdings berücksichtigt werden, dass der Versicherte durch geeignete Maßnahmen sein Körpergewicht normalisiert und somit mögliche Folgekrankheiten bei ausgeprägter Adipositas vorgebeugt habe.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine operative Bauchdeckenstraffung ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei keine krankhafte organische Veränderung erkennbar, die einen operativen Eingriff begründe. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 4. August 2003 Widerspruch ein. Er trug vor, nunmehr schon seit 5 Jahren Sport zu treiben. Eine Rückbildung der Haut sei durch das erschlaffte Bindegewebe nicht möglich. Dies bereite ihm bei seinen sportlichen Aktivitäten Probleme. Er könne keine Nacht durchschlafen. Immer wenn er sich drehe, werde er durch die überschüssige Haut behindert und wache dadurch ständig auf. Bei vielen Kleidungsstücken würden sich die Hautpartien abzeichnen und im Hosenbereich komme es am Bund zu Abdrücken am Bauch. Er fühle sich in seinem Körper eingeschränkt und benachteiligt. Dies belaste ihn seelisch und psychisch sehr. Er habe ein großes Schamgefühl und leide unter Depressionen. Bei seiner Montagetätigkeit vermeide er es, sich auszuziehen oder zu duschen, da er die Reaktionen seiner Kollegen fürchte. In ein Freibad zu gehen, wäre für ihn nicht möglich. Er habe in seinem Leben auch noch nie eine nähere Beziehung zu einer Frau aufbauen können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasse nicht die Kosten für operative Eingriffe in den regelgerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern. Psychische Probleme seien mit Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie zu behandeln.

Der Kläger hat am 23. September 2003 Klage vor dem Sozialgericht Dessau erhoben.

Das Sozialgericht hat Befundberichte vom behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin MR Dr. med. R. und vom Facharzt für Plastische Chirurgie/Handchirurgie, Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. S. (Berufsgenossenschaftliche Klinik B. , Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie/ Brandverletztenzentrum) eingeholt. In seinem Befundbericht vom 4. Februar 2004 hat Dr. R. ausgeführt, der Kläger sei derzeit klinisch ohne Befund. Der vormals vorhandene Bluthochdruck habe sich verbessert. Dr. S. hat in seinem Befundbericht vom 30. März 2004 dargelegt, der Kläger habe sich am 17. März 200...

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