Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz. Beitrittsgebiet. Neueinbeziehungsverbot. Verfassungskonforme Auslegung. Ungleichbehandlung. Wortlaut. Analogie. Versorgungszusage. Volkseigener Produktionsbetrieb. Delegierungsvertrag. Industrielle Serienproduktion. Statistisches Betriebsregister. Gleichgestellter Betrieb. Maschinen-Ausleih-Station
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG kann nicht fingiert werden. Dem steht das Verbot von Neueinbeziehungen entgegen.
2. Die sog. betrieblichen Voraussetzungen muss derjenige Betrieb erfüllen, mit dem das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers besteht, nicht hingegen der Betrieb, an den der Arbeitnehmer delegiert wird.
3. Ein volkseigener Produktionsbetrieb liegt nur vor, wenn die industrielle Serienproduktion den Betrieb prägt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2-3, Art. 100 Abs. 1; AAÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2-3
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. April 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz mit den dabei erzielten Entgelten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen sind.
Der am 1950 geborene Kläger erhielt mit Urkunde der Deutschen Demokratischen Republik vom 13. Juli 1974 das Recht, die Berufsbezeichnung "Ingenieur für Landtechnik" zu führen. Vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 war er als Ingenieur beim VEB Kreisbetrieb für Landtechnik (KfL) H mit der Betriebsnummer 92032337 beschäftigt. Die Beschäftigung war unterbrochen durch den Besuch der Bezirksparteischule der SED vom 1. September 1984 bis zum 30. Juni 1985 sowie durch drei Auslandseinsätze: In der Zeit vom 10. Mai 1979 bis zum 10. Dezember 1982 war der Kläger als Fachlehrer für Landtechnik in M. vom 1. Dezember 1985 bis zum 1. August 1987 als Berater für Landtechnik ebenfalls in Mosambik sowie vom 21. Juni 1989 jedenfalls bis zum 12. April 1990 als Berater für Technik in der M. tätig. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung zahlte der Kläger nicht. Eine schriftliche Versorgungszusage über eine Zusatzversorgung erhielt er zur Zeit der DDR nicht.
Am 5. Dezember 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juli 2002 ab. Dagegen legte der Kläger am 30. Juli 2002 Widerspruch ein und führte aus, seine Beschäftigungszeit vom 1. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 sei als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem zu werten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2003 wies die Beklagte diesen Widerspruch mit der Begründung zurück, der VEB KfL H. sei kein volkseigener Produktionsbetrieb und auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne der Versorgungsordnung gewesen.
Daraufhin hat der Kläger am 31. März 2003 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und u. a. ausgeführt, der VEB KfL H. sei entsprechend der DDR-Definition ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Die Versorgungsordnung beziehe sich nicht nur auf Betriebe der Industrie und des Bauwesens, sondern auch auf andere Bereiche der Volkswirtschaft. Der VEB KfL H. erfülle aber auch alle Kriterien, die an volkseigene Produktionsbetriebe gestellt würden. Er sei keineswegs nur ein Instandhaltungs- und Reparaturbetrieb gewesen, sondern ein produzierender Betrieb zur Herstellung landwirtschaftlicher Produktionsmittel und Produktionshilfsmittel zur Mechanisierung der Landwirtschaft. Bis zum Jahr 1994 seien Klein- und Stanzteile für eine Vielzahl von Betrieben, Konsumgüter wie z. B. Hubzüge für PKW, Dachbefestigungen für den Trabant, Passscheiben, Unterlegscheiben, Stifte, Keile, Knaggen, Anschweißteile etc., Rationalisierungsmittel für verlustarme Ernteeinbringung, Rationalisierungsmittel zur Verbesserung der Tier- und Pflanzenproduktion einschließlich der Nahrungsmittel (von der Konstruktion bis zur Übergabe), Stahlbaudachkonstruktionen bis zu einer Spannweite von 16 m für Lager, Werkstätten und Produktionshallen sowie u. a. Spezialtransporteinrichtungen und -vorrichtungen, Hubvorrichtungen, Grundrahmen für Extruder, Ladevorrichtungen, Palettensysteme, Lenkungsteile, Siebanlagen usw. produziert worden. Es sei von besonderer Bedeutung, dass er - der Kläger - im Zeitraum vom 21. Juni 1989 bis zum 30. Juni 1990 im Auslandseinsatz für den damaligen VEB Hochsilobau W.) als Berater in der Mongolei tätig gewesen sei. Dieser Betrieb sei jedenfalls ein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Das SG hat betriebliche Unterlagen zum VEB KfL und zum VEB KfL H sowie einen Registerauszug zur Landtechnik H GmbH eingeholt und den Beteiligten übersandt. Es hat ihnen weitere betriebliche Unterlagen übersandt (u. a. den Gründungsbericht zur Bildun...