Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. strafrechtliche Rehabilitierung. GdS-Feststellung. sozialgerichtliches Verfahren. medizinische Sachverhaltsaufklärung. Verweigerung der Mitwirkung an der Begutachtung. kein Anspruch auf Begleitperson und Videodokumentation bei psychiatrischer Exploration
Leitsatz (amtlich)
Wirkt der Anspruchsteller in einem Verfahren nach dem StrRehaG an einer erforderlichen (weiteren) medizinischen Aufklärung des Sachverhalts nicht mit, weil er auf einer Videodokumentation und einer Begleitperson bei einer psychiatrischen Exploration besteht, geht dies nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu seinen Lasten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob beim Kläger weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind und eine Beschädigtenrente nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) zu gewähren ist.
Der 1959 geborene Kläger wurde wegen eines zuvor versuchten Grenzübertrittes gemäß § 213 des Strafgesetzbuches der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Durchgangsheim M. untergebracht und anschließend inhaftiert. Mit Beschlüssen des Landgerichtes H. wurde er für diese Zeiten (26. März bis 10. Juli 1974 und 11. Juli 1974 bis 10. September 1975) rehabilitiert. Im Hinblick auf eine weitere Haftzeit wurde der Kläger rehabilitiert, soweit er zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sieben Monaten verurteilt worden war (22. August 1976 bis 20. Januar 1977).
Der Kläger stellte am 18. November 1997 beim Beklagten einen Antrag nach dem StrRehaG. Er habe in der Jugendstrafanstalt D. durch einen Stockschlag ins Gesicht zwei Schneidezähne verloren. Durch mangelhafte Ernährung, "Stress bzw. psychologischen Druck" habe er ein chronisches Magenleiden. Nach medizinischer Sachaufklärung erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2000 den Verlust der Zähne 11 und 12 als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG an. Das Magenleiden sei nicht durch schädigende Einwirkungen im Sinne des Gesetzes entstanden.
Am 25. Mai 2010 beantragte der Kläger eine Neufeststellung seiner gesundheitlichen Schädigungen durch die Haft und machte insbesondere eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), chronisch depressive Verstimmungen, eine Persönlichkeitsstörung mit überhöhtem Selbstwertgefühl, ausgeprägte Schlafstörungen mit Tagesmüdigkeit, häufige Kopfschmerzen und stressabhängige Magenbeschwerden, Albträume, Flashbacks, eine erhöhte vegetative Erregbarkeit, eine subdepressive Stimmungslage, Dysthymia und einen temporären, von Feindseligkeit hervorgerufenen Aufnahmeverlust bzw. Fehleinschätzungen geltend. Er verwies dazu auf übersandte medizinische Unterlagen (u.a. Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 22. Januar 2008, Stellungnahme der Vertragsärztin des Arbeitsamtes Dr. W. vom 19. Februar 2009). Außerdem lagen im Verwaltungsverfahren der Reha-Entlassungsbericht B. K. vom 26. Februar 2009 und der Sozialversicherungsausweis des Klägers für den Zeitraum vom 18. Oktober 1975 bis 10. Juli 1989 vor.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit: Er sei bis zum siebten Lebensjahr von seiner Mutter allein erzogen worden, die dann seinen Stiefvater geheiratet habe. Von da an habe er Schläge von seiner Mutter und dem Stiefvater bekommen. Diese wollten ihn loswerden und ins Kinderheim abschieben. Es sei ihnen 1968 gelungen, ihn für kurze Zeit (2-3 Wochen) im Krankenhaus für Kinderpsychiatrie unterzubringen. Um den Schlägen der Mutter und des Stiefvaters zu entgehen, sei er häufig von zu Hause abgehauen. Außerdem übersandte der Kläger das Schulzeugnis der 2. Klasse, das auf der Grundlage einer Einschätzung der Sonderschule am Krankenhaus für Kinderpsychiatrie in H. angefertigt worden war.
Auf Anfrage des Beklagten teilte die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR am 10. September 2010 mit, zu den Haftzeiten des Klägers lägen keine Gerichts- und Haftakten vor.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2011 lehnte der Beklagte die beantragte Neufeststellung ab und führte zur Begründung aus: Nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen handele es sich bei den geltend gemachten psychischen Beschwerden um eine Persönlichkeitsstörung mit hierfür typischen Merkmalen (diagnostizierte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen) als Folge nachgewiesener schädigungsunabhängiger gestörter Beziehungserfahrungen im frühen bis mittleren Kindesalter. Typische Symptome einer PTBS hätten nicht festgestellt werden können. Die erste Behandlung wegen seelischer Störungen nach der Haft sei im Jahr 2008, also mehr als 30 Jahre nach der letzten Inhaftierung erfolgt. Aus den vorliegenden Sozialversicherungsunterlagen hätten sich keine Hinweise auf eine zeitnahe Behandlung psychischer Beschwerden e...