Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Beschädigtenversorgung wegen der Folgen einer in der DDR erlittenen rechtswidrigen Inhaftierung. Gesundheitsschaden. Psychische Erkrankung. Posttraumatische Belastungsstörung. Prozessfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Wer infolge einer Freiheitsentziehung, für die er rehabilitiert worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach § 21 Abs. 1 S. 1 StrRehaG wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung in entsprechender Anwendung des BVG Versorgung.

2. Die Anerkennung einer psychischen Störung als Schädigungsfolge setzt medizinisch voraus, dass im Zeitraum von der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des Gerichts eine psychiatrische Erkrankung oder eine Belastungsstörung für die Dauer von mindestens sechs Monaten vorgelegen hat.

3. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gehört zu den Folgen psychischer Traumen und wird nach den AHP Nr. 26.3 zusammen mit Neurosen und Persönlichkeitsstörungen dem Funktionssystem Nervensystem und Psyche zugeordnet.

4. Hat der Antragsteller die entsprechenden Symptome zu keinem Zeitpunkt angezeigt, so fehlt bereits die medizinische Grundlage für die Diagnose einer PTBS.

 

Normenkette

StrRehaG § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1; BVG § 30 Abs. 1 S. 4; SGG § 71 Abs. 5

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob dem Kläger Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) zusteht.

Der am ... 1945 geborene Kläger erlernte nach Beendigung der Schulausbildung (1962) zunächst den Beruf eines Maschinisten und war ab dem 1. September 1965 bis 1972 bei der Hochschule für Verkehrswesen in D. als Student eingeschrieben (Abschluss als Ingenieur für Luftverkehr). Danach arbeitete er in verschiedenen Berufen, zuletzt seit September 1977 in einem Hospiz als Empfangssekretär bzw. ab 1. Juli 1981 als Lagerarbeiter. Ab dem 1. September 1982 war der Kläger (wegen Schizophrenie) Invalidenrentner.

Vom 12. April bis zum 2. August 1966, 4. Januar bis 2. Juli 1971 und vom 13. Dezember 1975 bis zum 26. Januar 1976 befand sich der Kläger wegen einer psychotischen Erkrankung in stationärer psychiatrischer Krankenhausbehandlung. Ferner befand er sich im Zusammenhang mit dem Verdacht auf begangene Straftaten vom 20. Oktober 1979 bis zum 6. Juni 1980 (4. Dezember 1981), 9. Juli 1984 bis 7. August 1984 und 8. Juli 1985 bis 9. September 1985 in Untersuchungshaft bzw. zur Feststellung seiner Schuldfähigkeit zur Begutachtung in Psychiatrischen Krankenhäusern. Für diese Zeiträume ist er rehabilitiert worden (Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. März 1999 - (559 Rh) 4 Js 307/9 (269/98)), Beschluss des Landgerichts Halle vom 22. Juli 1998 - 22 Reh 5312/96) und hat Kapitalentschädigungen erhalten (Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales H. vom 18. Januar 1999, Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales B. vom 22. Oktober 1999). Sein Antrag, auch den Zeitraum vom 7. Juni 1980 bis 4. Dezember 1981 als Zeit rechtsstaatswidriger Gewahrsamsnahme anzuerkennen, blieb erfolglos. Das Landgericht Berlin führte in seinem Beschluss vom 17. März 1999 dazu aus, dass sich der Kläger ab dem 7. Juli 1980 freiwillig auf einer offenen Rehabilitationsstation der Psychiatrischen Klinik aufgehalten habe. Die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde war erfolglos (Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 17. Mai 1999 - 4 Ws 128/99 Reha).

Vom 22. Oktober bis zum 27. November 1985 befand sich der Kläger wegen einer paranoiden Psychose erneut in stationärer Krankenhausbehandlung in der Universitätsnervenklinik H ... Die spätere ambulante psychiatrische Behandlung konnte 1990 abgeschlossen werden.

Der Kläger stellte am 3. Dezember 1998 beim Amt für Versorgung und Soziales H. wegen psychosomatischer Störungen, Schlafstörungen und Depressionen einen Antrag auf Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und legte dazu seine Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung in Kopie vor. Das Amt zog folgende Unterlagen über den Kläger bei: Vom Fachkrankenhaus B. die ärztlichen Berichte vom 29. Juli 1985 und 22. Oktober 1985. Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. F. Vollzugsakte der JVA Plötzensee. Akten des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Ärztliche Unterlagen der Universitätsnervenklinik H. und des St. Joseph-Krankenhauses B. Ärztliche Unterlagen aus dem Rentenverfahren der LVA Sachsen-Anhalt. In den Unterlagen der LVA befindet sich ein Rentengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Prof. Dr. S. vom 6. Oktober 2000, das dieser zusammen mit der Fachärztin für Psychiatrie Dr. A. und der Ärztin H. angefertigt hat. Dem Sachverständigen berichtete der Kläger, seit 1990 gehe es ihm psychisch relativ gut. Er leide lediglich unter Schlafstörungen. Prof. Dr. S. diagnostizierte einen Zustand nach schizophrener Erkrankung ...

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