Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines diese ersetzenden Verwaltungsaktes

 

Orientierungssatz

1. An die eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Regelungen in einem Eingliederungsverwaltungsakt gemäß § 15 Abs. 3 S. 3 SGB 2 sind dieselben Maßstäbe anzulegen, wie sie für eine konsensuale Eingliederungsvereinbarung gelten (BSG Urteil vom 23. 6. 2016, B 14 AS 42/15 R).

2. Dabei ist vom Grundsicherungsträger nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB 2 eine der individuellen Bedarfslage des Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorzunehmen.

3. Besteht die einzige Verpflichtung des Leistungsträgers in der Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen, soweit ihm geeignete Stellenangebote vorliegen und werden Angaben zu Eingliederungsleistungen wie Mobilitäts-, Bewerbungs- und Weiterbildungskosten nicht gemacht, so ist der Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig ergangen und somit aufzuheben.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2015 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2013 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wendet sich gegen einen die Eingliederungsvereinbarung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden: EGVA).

Der 1971 in W. geborene ledige Kläger ist vom Beruf Werkzeugmacher (sowie Vorrichter, Schweißer und CNF-Fachkraft). Er bezog ab Januar 2005 SGB II-Leistungen in Höhe der Regelleistung zuzüglich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Zwischen 2007 und 2011 stand der Kläger mehrfach in Beschäftigungsverhältnissen (als Maschinenführer, Arbeiter, und Betriebshandwerker). Nach einer erneuten Arbeitsaufnahme im Juli 2011 erkrankte er länger, bezog Krankengeld und absolvierte im Januar 2012 eine Reha-Maßnahme des Rentenversicherungsträgers. Seit Juni 2007 schloss der Beklagte regelmäßig mit dem Kläger Eingliederungsvereinbarungen ab. Erstmalig im März 2010 kam eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, weil der Kläger sich weigerte, den vom Beklagten vorgeschlagenen Vertragsentwurf zu unterschreiben. Daraufhin erließ der Beklagte am 12. April 2010 eine EGVA. Eine weitere EGVA folgte ab Juli 2012, abgelöst durch eine EGVA vom 6. November 2012.

Im Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, seine Anschrift habe sich "laut Namensänderung und Identitätsänderung" wie folgt geändert: U. R., FH zu ..., L. Straße ..., 0 ... Z., bzw. abgekürzt "FH z ...". Seither schickte er Briefsendungen des Beklagten mit Angabe der bisherigen Personalien im Adressfenster, die er als unzutreffend adressiert ansah, an diesen zurück, indem der die Briefumschläge mit der handschriftlichen Aufschrift "Adresse unbekannt" und "neue Adresse: U. R. FH. z ..., Freistaat ..., 0 ... Z. L. Straße ..." versah und in Briefkästen der Post einwarf. In der Jahresmeldebescheinigung zur Sozialversicherung ersetzte der Kläger die vorgedruckte Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Deutschland durch "Freistaat ..." und fügte handschriftlich im unteren Seitenbereich ein: "seit 14.11.2012 verfassungsgemäß Freibürger oder auch FH z ..., einen Staat "Bundesrepublik Deutschland" gibt es nicht, da es an einer Verfassung mangelt!! - BRD GmbH + GG".

Bei der Vorsprache des Klägers am 8. Juli 2013 kam es wieder nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Am selben Tag erließ der Beklagte einen Bescheid über die Festlegung der Eingliederungsaktivitäten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II und händigte diesen dem Kläger sogleich aus. Da sich der Kläger geweigert habe, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, werde eine EGVA erlassen. Die enthaltenen Festlegungen würden vom 8. Juli 2013 bis zum 7. Januar 2014 gelten. Der Beklagte werde dem Kläger Vermittlungsvorschläge unterbreiten, soweit geeignete Stellenangebote vorlägen. Zudem werde er ihn bei der beruflichen Eingliederung und zum Arbeitsmarkt beraten. Der Kläger werde verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln zu bestreiten, und an allen vereinbarten Maßnahmen zur Eingliederung aktiv mitzuwirken. Konkret bedeute dies, dass er eine zumutbare Beschäftigung zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit aufnehmen werde, sobald sich die Möglichkeit dazu biete. Er werde sich auf vorgelegte Stellenangebote innerhalb von drei Arbeitstagen selbstständig bewerben und innerhalb von vier Wochen über das Ergebnis berichten. Er werde mindestens zu einem Arbeitgeber monatlich Kontakt aufnehmen, bzw. sich bewerben. Dies gelte für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, auch für befristete oder für Beschäftigungen, die v...

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