Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines diese ersetzenden Eingliederungsverwaltungsaktes
Orientierungssatz
1. Bei Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung bzw. bei Erlass eines diese ersetzenden Verwaltungsaktes nach § 15 SGB 2 ist eine der individuellen Bedarfslage des Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorzunehmen.
2. Unzureichend ist, wenn keine konkreten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bezeichnet werden.
3. Der Grundsicherungsträger darf sich nicht regelhaft auf die Bestimmung ausschließlich von Pflichten des Leistungsberechtigten festlegen. Beschränkt sich eine Eingliederungsvereinbarung bzw. ein Eingliederungsverwaltungsakt allein auf die sanktionsbewehrte Kontrolle der eigenen Aktivitäten des Leistungsberechtigten, so ist sie bzw. er rechtswidrig ergangen und aufzuheben.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. September 2015 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 rechtswidrig gewesen ist. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungskläger (im Weiteren: Kläger) wendet sich gegen einen die Eingliederungsvereinbarung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ersetzenden Verwaltungsakt (im Folgenden: EGVA).
Der 1971 in W. geborene ledige Kläger ist vom Beruf Werkzeugmacher (sowie Vorrichter, Schweißer und CNF-Fachkraft). Er bezog ab Januar 2005 SGB II-Leistungen in Höhe der Regelleistung zuzüglich der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Zwischen 2007 und 2011 stand der Kläger mehrfach in Beschäftigungsverhältnissen (als Maschinenführer, Arbeiter, und Betriebshandwerker). Nach einer erneuten Arbeitsaufnahme im Juli 2011 erkrankte er länger, bezog Krankengeld und absolvierte im Januar 2012 eine Reha-Maßnahme des Rentenversicherungsträgers. Seit Juni 2007 schloss der Beklagte regelmäßig mit dem Kläger Eingliederungsvereinbarungen ab. Erstmalig im März 2010 kam eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, weil der Kläger sich weigerte, den vom Beklagten vorgeschlagenen Vertragsentwurf zu unterschreiben. Daraufhin erließ der Beklagte am 12. April 2010 eine EGVA. Eine weitere EGVA folgte ab Juli 2012, abgelöst durch eine EGVA vom 6. November 2012. Zuletzt gab es die EGVA vom 8. Juli 2013 mit Wirksamkeit bis zum 7. Januar 2014, der Gegenstand im Verfahren L ... ist.
Im Februar 2013 teilte der Kläger dem Beklagten mit, seine Anschrift habe sich "laut Namensänderung und Identitätsänderung" wie folgt geändert: U. R., FH zu ..., L. Straße ..., 0 ... Z., bzw. abgekürzt "FH z ...". Seither schickte er Briefsendungen des Beklagten mit Angabe der bisherigen Personalien im Adressfenster, die er als unzutreffend adressiert ansah, an diesen zurück, indem der die Briefumschläge mit der handschriftlichen Aufschrift "Adresse unbekannt" und "neue Adresse: U. R. FH. z ..., Freistaat ..., 0 ... Z. L. Straße ..." versah und in Briefkästen der Post einwarf. In der Jahresmeldebescheinigung zur Sozialversicherung ersetzte der Kläger die vorgedruckte Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Deutschland durch "Freistaat ..." und fügte handschriftlich im unteren Seitenbereich ein: "seit 14.11.2012 verfassungsgemäß Freibürger oder auch FH z ..., einen Staat "Bundesrepublik Deutschland" gibt es nicht, da es an einer Verfassung mangelt!! - BRD GmbH + GG".
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2014 bekräftigt hatte, er werde auch zukünftig keine Eingliederungsvereinbarung abschließen, die er als "rechtswidrigeneinseitig beschlossenen Zwangsvertrag" ansah, der in seine Grundrechte eingreife, erließ der Beklagte unter dem 4. Februar 2014 eine weitere EGVA gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II mit Gültigkeit für die Zeit vom 4. Februar bis zum 3. August 2014 mit u.a. folgenden Inhalt:
"2. Leistungen und Pflichten
a) Jobcenter ...
Herr R. wird vom Jobcenter bei der Eingliederung in Arbeit unterstützt durch:
- Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen
Für Leistungen, die zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich sind (z. B. Mobilitätskosten, Bewerbungskosten, Weiterbildungskosten u.ä. ist Ihr Träger für die berufliche Rehabilitation zuständig.
Eine Gewährung über das Jobcenter ... ist somit nicht möglich.
b) Herr R.
Herr R. wird verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen vereinbarten Maßnahmen zur Eingliederung aktiv mitzuwirken.
Die Verpflichtung von Herr R. beinhaltet konkret:
- Verringerung der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer nach § 10 SGB III zumutbaren Beschäftigung, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Entscheidend für die Zumutbarkeit ist die ...