Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Klagerücknahmefiktion bei unterbliebener Mitwirkungshandlung
Orientierungssatz
1. Nach § 102 Abs. 2 SGG wird eine Klagerücknahme fingiert, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Der Kläger ist nach § 102 Abs. 2 S. 3 SGG auf die eintretenden Rechtsfolgen hinzuweisen.
2. Bei Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann wegen der existenzsichernden Bedeutung dieser Leistungen nur ausnahmsweise auf ein zwischenzeitlich entfallenes Rechtsschutzinteresse eines Klägers geschlossen werden, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2001 - 8 B 2/01.
3. Ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Fortführung des Verfahrens kann nicht damit begründet werden, dass der Kläger eine nach Rechtsansicht des Gerichts erforderliche Mitwirkung unterlassen hat, wenn der Anspruch nach dessen Ansicht davon nicht abhängt.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. März 2013 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Stendal zum Aktenzeichen S 5 AS 380/08 nicht durch die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG beendet worden ist.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht bei Verfahrensabschluss vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger und Berufungsführer wenden sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg, mit dem dieses ihre Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Fiktion einer Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen und die Verfahrensbeendigung festgestellt hat. In der Sache begehren die Kläger vom Beklagten die Gewährung höherer Leistungen für die Kosten für die Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis 30. September 2007.
Die am ... 1973 geborene Klägerin ist mit dem am ... 1974 geborenen Kläger verheiratet. Beide beziehen mit ihren Kindern seit dem 1. Januar 2005 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie bewohnen ein Eigenheim auf einem im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstück, welches diese im Jahr 2004 erworben hat. Über das Wohnhaus haben die Kläger mit der Großmutter des Klägers mit Wirkung zum 1. Juni 2004 einen Mietvertrag abgeschlossen, der auf den 20. Mai 2004 datiert und eine monatliche Gesamtmiete von 321,20 EUR ausweist. Ausweislich eines Schreibens der Großmutter des Klägers vom 14. März 2005 soll die Miete seit dem 1. April 2005 wegen einer Erhöhung der vorauszuzahlenden Betriebskosten 425,76 EUR betragen. Die Wirksamkeit des Mietvertrages sowie die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) sind zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitig.
Mit Bescheid vom 26. März 2007 hatte der Beklagte den Klägern und deren Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich KdUH für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2007 in Höhe von monatlich 1.195,62 EUR unter Zugrundelegung der angegebenen mietvertraglichen Aufwendungen bewilligt. Nach Bekanntwerden der Eigentumsverhältnisse änderte der Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2007 in Gestalt des Bescheides vom 25. Januar 2008 die Leistungsgewährung dahingehend ab, dass für den Zeitraum vom 1. bis 30. Juni 2007 insgesamt 844 EUR und ab dem 1. Juli bis 30. September 2007 monatlich 848 EUR gewährt wurden, da den Klägern ein Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung des Mietvertrages nicht zustehe. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, mit dem sie geltend machten, dass die KdUH im Zeitraum vom 1. Juni bis 30. September 2007 auf der Grundlage des vorgelegten Mietvertrages zu bewilligen seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück und führte ergänzend aus: Die KdUH könnten lediglich in Höhe von 106 EUR/Monat Berücksichtigung finden, da der vorgelegte Mietvertrag nicht wirksam und weitere Aufwendungen durch die Kläger nicht nachgewiesen seien.
Mit ihrer am 23. Mai 2008 beim Sozialgericht Stendal erhobenen Klage (S 5 AS 380/08) haben die Kläger ihr Begehren weiter verfolgt und vorgetragen, die Aufwendungen für die KdUH seien vom Beklagten in voller Höhe entsprechend der mietvertraglichen Regelung zu übernehmen. Der Wirksamkeit des Mietvertrages stehe nicht entgegen, dass die Vermieterin nicht Eigentümerin des Anwesens sei, da die Eigentümerstellung zivilrechtlich keine Voraussetzung für eine vertragliche Verpflichtung sei. Die Vermieterin habe im Übrigen alle Kosten des Grundstücks, einschließlich der Betriebskosten, getragen. Dem ist der Beklagte unter Bezugnahme auf seine bisherigen Ausführungen entgegengetreten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Februar 2009 hat das Sozialgericht die Kläger aufgefordert, die von ihnen geltend gemachten KdUH detailliert aufzuschlüsseln und mit geeigneten Nachwei...