Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren zur Feststellung der Behinderung nach SGB IX. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Hodentumor. Verlust eines Hodens. Heilungsbewährung. Änderungsbescheid. Funktionseinschränkungen. Bluthochdruck. Niereninsuffizienz
Leitsatz (amtlich)
Zur Herabsetzung bzw. Entziehung eines Grades der Behinderung (GdB) nach Ablauf einer Heilungsbewährungszeit (hier: Hodentumor) ohne Rezidiverkrankung.
Normenkette
SGB IX § 69 Abs. 1, 3, § 2 Abs. 1; BVG Art. 30 Abs. 1, 16; VersMedV § 2; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Entziehung eines Grades der Behinderung (GdB) mit Wegfall der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
Der am ... 1957 geborene Kläger beantragte am 27. Oktober 2003 die Feststellung von Behinderungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch- Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) und die Ausstellung eines Ausweises. Er gab an, unter einem Hodentumor und unter Bluthochdruck zu leiden. Der Beklagte holte von dem Facharzt für Urologie Dipl.-Med. G. die Epikrise der Klinik für Urologie des J.-Krankenhauses S. vom 23. Juli 2003 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 11. Juli bis 23. Juli 2003 ein. Der Kläger war dort wegen eines nichtseminomatösen Hodentumors rechts - Stadium 2a nach Lugano (pT2, pN1, MO) behandelt worden. Im histologischen Befund der Klinik waren vier Lymphknotenmetastasen des Hodentumors genannt und als Therapie eine retroperitoneale Pick-up-Lymphadenektomie am 14. Juli 2003 sowie die Einlage eines venösen Portsystems am 22. Juli 2003 aufgeführt. Anschließend sollte eine Chemotherapie erfolgen.
Daraufhin stellte der Beklagte nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes mit Bescheid vom 9. Februar 2004 einen GdB von 60 ab 27. Oktober 2003 fest. Er stützte diese Entscheidung auf eine Funktionsbeeinträchtigung infolge einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens im Stadium der Heilungsbewährung. Die geltend gemachte Gesundheitsstörung eines Bluthochdrucks bedinge keinen messbaren Einzel-GdB von wenigstens 10 und könne daher nicht als Behinderung im Sinne des SGB IX festgestellt werden. Ferner gab er an, dass sich die anerkannte Funktionsbeeinträchtigung einer Geschwulsterkrankung des rechten Hodens derzeit noch im Stadium der Heilungsbewährung befinde. Daher werde die Funktionsbeeinträchtigung, obwohl dies durch die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen nicht gerechtfertigt sei, zunächst mit einem höheren GdB als zustehend bewertet. Nach Ablauf der Heilungsbewährung, die im Juli 2008 ende, werde der GdB überprüft und entsprechend der dann noch verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung ggf. neu festgestellt.
Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens holte der Beklagte zunächst einen Befundschein von Dipl.-Med. G. vom 3. September 2008 ein. Danach bestand bei dem Kläger ein Zustand nach Hodentumor rechts, nach RLA (Laparoskopische Retroperitoneale Lymphadenektomie) und nach Polychemotherapie. Zum Befund des Hodens teilte der Arzt mit, rechts befände sich eine Prothese, der linke Hoden sei unauffällig. Unter Hinweis auf einen von anderen Ärzten erhobenen MRT-Befund vom 31. März 2008 gab er an, das MRT des Abdomens sei unverändert regelrecht, ohne Hinweis für Metastasen oder vergrößerte Lymphknoten. Aufgrund seiner Untersuchungen bestehe derzeit kein Hinweis auf einen Progress oder ein Rezidiv. Dennoch halte er Nachsorgeuntersuchungen im Abstand von sechs Monaten für erforderlich. Der ärztliche Dienst des Beklagten gab nach Auswertung des Befundberichtes an, nach Ablauf der Hodenerkrankung in Heilungsbewährung ohne Rezidiv betrage der GdB nunmehr 0. Daraufhin hörte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2009 zum beabsichtigten Erlass eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an, da nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung der GdB nur noch nach der tatsächlich bestehenden Beeinträchtigung zu beurteilen sei. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "Geschwulsterkrankung des rechten Hodens" sei die vorgesehene Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen. Insoweit sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten. Der maßgebliche Feststellungsbescheid solle wie folgt geändert werden: "Herabsetzung des GdB auf 0 für die Zukunft". Die verbliebene Gesundheitsstörung bedinge, da nach Aussage des behandelnden Arztes kein Krankheitsrezidiv aufgetreten sei, keinen GdB mehr. Der Kläger äußerte sich dazu nicht.
Mit Aufhebungsbescheid vom 7. April 2009 hob der Beklagte den Bescheid vom 9. Februar 2004 mit Wirkung vom 1. Mai 2009 auf. Zur Begründung gab er an, nach § 48 SGB X sei eine Neufeststellung mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen, wenn in den gesundheitlichen Verhältnissen, die der letzten Feststellung zu Grunde gelegen haben, eine wes...