Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Ursachenzusammenhang. Hinreichende Wahrscheinlichkeit. Kreuzbandriss. Unfallhergang. Vorschaden. Anerkennung einer Schädigung als Unfallfolge unter Berücksichtigung eines Vorschadens
Leitsatz (redaktionell)
Ob ein Gesundheitsschaden “wesentlich” auf einer versicherten Tätigkeit beruht, ist anhand verschiedener Kriterien festzustellen. Gesichtspunkte hierfür sind insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, der zeitliche Verlauf, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm.
Orientierungssatz
1. Nachgewiesene Gesundheitsstörungen sind Folgen eines Arbeitsunfalls, wenn zwischen dem Unfallereignis und ihnen entweder direkt oder vermittelt durch durch den Gesundheitserstschaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei gilt der Bewertungsmaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit.
2. Ist ein belegter Vorschaden nicht als derart überwiegend zu veranschlagen, dass er der Unfalleinwirkung die Qualität einer erheblich mitwirkenden Bedingung nimmt, so behält das Unfallgeschehen die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Teilursächlichkeit für den Eintritt des Gesundheitsschadens.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1
Tenor
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Bescheid abgeändert wird.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie der Klägerin durch einen Arbeitsunfall verursacht worden ist.
Die 1956 geborene Klägerin verlor am 14. April 2004 gegen 15.20 Uhr bei versicherter Tätigkeit auf einer Leiter stehend das Gleichgewicht, stürzte mit durchgestrecktem Bein zu Boden und verdrehte sich hierbei das linke Kniegelenk, mit dem sie nach innen einknickte. Der kurz darauf aufgesuchte Durchgangsarzt Prof. Dr. W. (Direktor der Klinik für Unfallchirurgie der Universität M.) fand eine endgradige Streck- und Beugehemmung des linken Knies, einen stabilen Kapsel-Bandapparat, negative Meniskus- und Kreuzbandzeichen und diagnostizierte eine Distorsion des linken Kniegelenkes. Im Rahmen der Untersuchung am 16. April 2004 gab er einen von der Klägerin beschriebenen deutlichen Belastungsschmerz mit mittlerweile rückläufiger Schwellung wieder. Das Gangbild der Klägerin sei kleinschrittig und unter Verwendung von Unterarmgehstützen hinkend. Das Knie weise einen deutlichen, wenngleich nicht punktionswürdigen Erguss auf. Die Seitenbänder seien stabil, die Kreuzbänder seien wegen des Ergusses nicht sicher beurteilbar und die Beweglichkeit des Knies jetzt mehr eingeschränkt (0-10-110°).
Ein am 20. April 2004 gefertigtes Magnetresonanztomogramm (MRT) des linken Kniegelenks erbrachte einen deutlichen Gelenkerguss, Grad-II-Läsionen beider Menisken, kein Knochenödem sowie ein im gesamten Verlauf und in allen Sequenzen nicht ausreichend abgrenzbares vorderes Kreuzband. Das hintere Kreuzband, die Seitenbänder und die Gelenkkapsel waren intakt. Im Bericht über die am 28. April 2004 in der Klinik für Unfallchirurgie der Universität M. durchgeführte Arthroskopie sind intraoperativ eine vordere Kreuzbandruptur mit Blutauflagerungen im Bereich der deutlich aufgefaserten Kreuzbandstümpfe, ein Innenmeniskuslängsriss im Bereich des Hinterhorns, ein am Rand degenerativ aufgefaserter Außenmeniskus sowie im lateralen Kompartiment eine Chondromalazie (Knorpelerweichung) II. Grades beschrieben. Der makroskopische Befund spreche für eine frische Kreuzbandruptur. Die feingewebliche Aufbereitung der intraoperativ aus dem Innenmeniskus und dem vorderen Kreuzband entnommenen Gewebestücke ergab nach der Auswertung der Pathologen Prof. Dr. R. und Dr. R. (Institut für Pathologie der Universität M.) im Meniskusbereich u.a. keine Eisenpigmentablagerungen und im aufgespleißten Sehnengewebe randliche Kapillareinsprossungen wie bei einer mehrzeitigen Sehnenruptur.
Im Rahmen eines am 31. August 2004 gefertigten MRT des linken Kniegelenks hätten sich im Vergleich zur Voraufnahme nach Prof. Dr. G. und Dr. L. (Klinik für Diagnostische Radiologie der Universität M.) zunehmende Degenerationen im Meniskusbereich sowie regelrechte Kreuz- und Seitenbänder gezeigt.
Bereits im Mai 1997 war die Klägerin wegen Beschwerden im linken Kniegelenk von dem Facharzt für Orthopädie Dr. W. behandelt worden, der die Erstellung des MRT vom 9. Juni 1997 veranlasst hatte. Hieraus gingen nach der Auswertung des Facharztes für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. H. eine diskrete Signalanhebung im Vorderhornbereich des Außenmeniskus, ein kleiner Einriss an der Unterfläche des Innenmeniskushinterhorns, ein geringer Gelenkerguss, eine Chondropathia patellae Grad I-II, intakte Seitenbänder und ein unauffälliges hinteres Kreuzband hervor. Das vordere Kreuzband sei deutlich ödem...