Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Anerkennung zusätzlicher Unfallschäden. Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis -weiterer Gesundheitserstschaden. Kreuzbandriss
Leitsatz (amtlich)
Bei der Bewertung der Angaben zum Unfallhergang sind alle Umstände zu würdigen. Insbesondere kann dabei von Bedeutung sein, ob sich anerkannte Gesundheitsschäden durch die wiedergegebenen ersten Schilderungen erklären lassen.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. September 2009 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2006 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Arbeitsunfall vom 4. November 2005 auch den Riss des vorderen Kreuzbandes links umfasst.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer vorderen Kreuzbandruptur links als zusätzlicher (Gesundheitserst-)Schaden eines Arbeitsunfalls.
Laut den Angaben im D-Arztbericht vom 7. November 2005 sowie den Mitteilungen in der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 16. November 2005 rutschte der 1960 geborene Kläger am 4. November 2005 um 10.30 Uhr bei versicherter Tätigkeit beim Absteigen von einem Telefonmast mit den Steigeisen ab, glitt ca. 1 m herunter und stieß mit dem linken Knie gegen den Mast. Die am darauffolgenden Montag aufgesuchte Chirurgin und D-Ärztin Dr. A. fand eine Weichteilschwellung des linken Kniegelenks, eine Kontusionsmarke an der Innen- und Außenseite des linken Kniegelenks sowie einen Belastungsschmerz. Der Kläger humple stark. Er gebe einen Dehnungsschmerz im Bereich der Collateralbänder an; eine nachweisbare Aufklappbarkeit liege nicht vor. Eine Schublade sei nicht sicher auslösbar. Röntgenologisch bestehe kein Frakturnachweis. Erkennbar seien degenerative Veränderungen im Bereich des medialen Tibiakopfes. Als Diagnose hielt Dr. A. eine Distorsion des linken Kniegelenks fest.
Am 11. November 2005 suchte der Kläger die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Städtischen Klinikums M. auf. Der Chefarzt Privatdozent (PD) Dr. D. und der Oberarzt Dr. R. verwiesen auf das am selben Tag erstellte Magnetresonanztomogramm (MRT), das nach der Auswertung des Radiologen Dr. E. eine frische Fraktur des medialen Tibiakopfes mit Fragmentabsprengung, eine komplette Ruptur des vorderen Kreuzbandes links in der Mitte mit Retraktion der Bandenden, ein postraumatisches Ödem des subkutanen Fettgewebes, eine Einblutung im Bereich der Seitenbänder ohne deren Ruptur sowie einen degenerativen Korbhenkelriss des Innenmeniskus erbracht hatte. Klinisch fänden sich eine geringe Knieschwellung ohne eindeutigen Erguss, ein fester Seitenbandapparat und sowohl extensionsnah als auch in 90°-Beugung eine vordere Schublade. Die Ärzte schätzten ein, dass die Unfallanamnese eigentlich gegen eine Gefährdung des Kreuzbandes spreche. Da der Unfall somit nicht als alleinige Ursache der vorgefundenen Gesundheitsschäden verantwortlich sein könne, sei der Kläger zu eventuellen früheren Verletzungen befragt worden. Dabei habe er angegeben, 1980 während seines Grundwehrdienstes eine Knieverletzung mit längerer Behandlungsbedürftigkeit erlitten zu haben. Unter Umständen komme diese als Ursache des Kreuzbandrisses in Frage.
In seiner Hergangsschilderung vom 20. November 2005 gab der Kläger gegenüber der Beklagten zum Unfallablauf an, er sei beim Absteigen vom Mast heruntergerutscht und durch sein Gurtsystem aufgefangen worden. Dabei sei er mit der Innenseite des linken Knies gegen den Mast bzw. die Kabelschutzeisen geschlagen. Die Füße seien in den Steigeisen fixiert und die Beine senkrecht gewesen. Er sei mit dem Kniegelenk nach innen geknickt, das sich in Streckung befunden habe.
In ihren Zwischenberichten vom 23. November und 12. Dezember 2005 meinte auch Dr. A., dass eine alte Verletzung aus dem Jahre 1980 unter Umständen für die vordere Kreuzbandruptur verantwortlich sein könne.
Dr. V. als beratender Arzt der Beklagten schätzte ein, der Kläger habe sich beim Unfall eine Tibiakopffraktur links ohne relevante Beteiligung der Gelenkfläche bei vorbestehender Kreuzbandruptur und relativ deutlichen degenerativen Veränderungen der Knorpelflächen und des Innenmeniskus zugezogen. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit sei für sechs Wochen zu veranschlagen. Eine geplante Kreuzbandplastik gehe nicht zu Lasten der Beklagten. In ihrer beratenden Stellungnahme vom 26. Dezember 2005 kam die Radiologin Dr. L. zu dem Schluss, die Kreuzbandruptur sei bildmorphologisch eher als alt einzuordnen, da nur noch ein distaler Stumpf und kein typisches laterales bone bruise bestehe. Die Innenmeniskus- und Knorpelveränderungen seien degenerativer Natur.
Am 11. Januar 2006 wurde das Knie des Klägers im Städtischen Klinikum M. arthroskopiert. Laut dem Entlassungsbericht vom 20. Februar 2006 hätten sich intraoperativ ein Meniskuseinriss im ...