Rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarordnung. Pflichtenverstoß. Vorlage von Behandlungsunterlagen. Übermaßverbot. Einschaltung eines Rechtsanwaltes
Leitsatz (amtlich)
Auch im Verhältnis der Vertrags(zahn)ärztin zur Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes vor der Erfüllung der vertrags(zahn)ärztlichen Verpflichtungen erlaubt und stellt keinen Disziplinarverstoß dar.
Die Anforderung sämtlicher Patientenunterlagen für ein Quartal (hier 653 Karteikarten) kann gegen das Übermaß verbot verstoßen.
Normenkette
SGB V § 75 Abs. 2, § 81 Abs. 5, § 83 Abs. 2, §§ 294-295
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten und den Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen zu eröffnen.
Die beigeladenen Zahnärztinnen betreiben eine Gemeinschaftspraxis in H.. Mit Schreiben vom 21. Juni 1999 bat der Kläger die Beigeladenen um Zusendung aller Original-Karteikarten der Patienten, die im I. Quartal 1999 bei ihnen behandelt worden waren und für die eine Abrechnung über den Kläger erfolgt ist. Eine schnellst mögliche Rücksendung wurde zugesichert. Eine Begründung für die Bitte um Übersendung der Karteikarten gab der Kläger in dem Schreiben nicht. Nach einer telefonischen Nachfrage der Beigeladenen verwies der Kläger in einem Schreiben vom 28. Juni 1999 zur Begründung auf § 7 Abs. 5 der Satzung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt (KZV) und fügte eine Kopie des Textes der Vorschrift bei, die wie folgt lautet: „Jedes Mitglied ist verpflichtet, der KZV Sachsen-Anhalt alle Auskünfte zu erteilen, die zur Nachprüfung der kassenzahnärztlichen oder sonstigen von der KZV Sachsen-Anhalt zu gewährleistenden zahnärztlichen Tätigkeit erforderlich sind. Auf Verlangen hat es auch die auf die Auskunft sich beziehenden Unterlagen vorzulegen.” Daraufhin meldete sich der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen für diese mit einem Schreiben vom 2. Juli 1999 bei dem Kläger und vertrat die Auffassung, für die Anforderung der gesamten Originalunterlagen fehle die Rechtsgrundlage; außerdem sei die Anforderung unverhältnismäßig.
Nach umfangreicher, ergebnislos gebliebener Korrespondenz zwischen dem Kläger und dem Bevollmächtigten der Beigeladenen stellte der Kläger mit Schreiben vom 9. August 1999 bei dem Beklagten den Antrag, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen einzuleiten. Am 19. August 1999 teilte der Kläger dem Beklagten mit, die Behandlungsunterlagen seien nun eingegangen und das Verfahren solle zunächst ruhen. Mit Schreiben vom 20. September 1999 beantragte der Kläger dann bei dem Beklagten, das Verfahren fortzusetzen, weil die Zusendung der Behandlungsunterlagen das vorangegangene Verhalten der Beschuldigten nicht rechtfertige. Es hätten sich auch Verdachtsmomente dafür ergeben, dass es sich bei den eingereichten Behandlungsunterlagen nicht um die Originale handele. Es sollten deshalb kurzfristig weitere 100 Patientenkarteikarten aus dem Quartal II/1999 von der Gemeinschaftspraxis angefordert werden. Mit Schreiben vom 12. Oktober 1999 ergänzte der Kläger seinen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens: Den Beigeladenen sei am 5. Oktober 1999 telefonisch angekündigt worden, dass am 7. Oktober 1999 weitere 100 Karteikarten persönlich abgeholt würden. Der Verfahrensbevollmächtigte habe daraufhin schriftlich mitgeteilt, dass die Karteikarten am 7. Oktober 1999 nicht herausgegeben würden, weil die Vorgehensweise nicht rechtzeitig angekündigt worden sei. Damit sei wiederum die Abholung und Übergabe von Patientenkarteikarten pflichtwidrig verhindert worden. Erst am späten Abend des 5. Oktober 1999 hätten sich die Beigeladenen per Fax ihres Verfahrensbevollmächtigten bereit erklärt, die Behandlungsunterlagen in den Praxisräumen zur Einsichtnahme zur Verfugung zu stellen.
Die zur Stellungnahme aufgeforderten Beigeladenen gaben in einem Schreiben vom 2. November 1999 gegenüber dem Beklagten an, sie hätten nach der Anforderung der gesamten 653 Originalkarteikarten gegenüber dem Kläger mehrfach ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Vorlage aller Unterlagen erklärt und mehrere Vorschläge zur Durchführung gemacht, die der Kläger jedoch abgelehnt habe. Schließlich habe man sich geeinigt, die Unterlagen bis zum 18. August 1999 einzureichen, was auch geschehen sei. Ein Ergebnis der Prüfling liege bis heute nicht vor. Am 25. Oktober 1999 seien von drei Mitarbeitern des Klägers weitere 100 Karteikarten des Folgequartals in der Praxis wegen des Verdachts der „Nichtechtheit” der 653 Karteikarten kopiert worden. Es seien aber seinerzeit alle Karteikarten im Original eingereicht worden. Der Kläger teilte dem Beklagten in einem Schreiben vom 24. November 1999 mit, die Überprüfung der zusätzlichen 100 Patientenk...