Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des einer Verletztenrente zugrundezulegenden Jahresarbeitsverdienstes aus einem im Beitrittsgebiet eingetretenen Arbeitsunfall, für den bereits vor dem 1. 7. 1990 ein Rentenanspruch bestanden hat
Orientierungssatz
1. Für im Beitrittsgebiet vor dem 1. 1. 1992 eingetretene Arbeitsunfälle, für die bereits vor dem 1. 1. 1990 ein Rentenanspruch bestanden hat, ist nach § 1152 Abs. 2 Nr. 1 RVO ein Jahresarbeitsverdienst von 13.680.- DM zu berücksichtigen. Dieser ist nach den Rentenanpassungsvorschriften zu dynamisieren.
2. Die Vorschrift des § 1152 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RVO ist verfassungsgemäß und verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Bei der Überleitung des Rechts der ehemaligen DDR im Zuge der Wiedervereinigung stand dem Gesetzgeber ein besonders großer Beurteilungsspielraum zu. Mit dem RÜG hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Grundsätze des Versicherungsfallprinzips, der Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes und der Verwaltungspraktibilität einzuhalten. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die zu überführenden Leistungen sofort dem Niveau der alten Bundesländer anzupassen.
4. Soweit der Gesetzgeber mit der Schaffung des RÜG eine Stichtagsregelung hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen eingeführt hat, ist eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Es ist zulässig, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, auch wenn dies unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des für die Berechnung seiner Verletztenrente maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes nach billigem Ermessen.
Der 1939 geborene und in den 80er Jahren im Beitrittsgebiet als Dipl.-Ing. (FH) beschäftigte Kläger trat am 12. Mai 1983 während eines von seinem im Beitrittsgebiet ansässigen Arbeitgeber, dem VEB L., veranstalteten Fußballspiels beim Laufen am Rande des Spielfeldes in ein Maulwurfsloch, sackte um und riss sich die Achillessehne des linken Fußes. Mit Bescheid vom 10. Januar 1984 erkannte die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) das Ereignis als Arbeitsunfall an. Mit Rentenbescheid vom 4. Januar 1984 erhielt der Kläger eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 20 % auf der Grundlage eines beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienstes von 600 Mark (M).
1991 übernahm die Großhandels- und Lagereiberufsgenossenschaft die laufenden Leistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (vH) und zahlte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 eine Verletztenrente auf der Grundlage eines Jahresarbeitsverdienstes von 15.732,00 Deutsche Mark (DM) und vom 1. Juli bis 30. November 1991 auf der Grundlage eines Jahresarbeitsverdienstes von 18.091,80 DM. Ab dem 1. Dezember 1991 übernahm die Beklagte (seinerzeit noch Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung) als zuständige Berufsgenossenschaft die Zahlung der Verletztenrente.
Am 7. März 2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag nach § 87 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) auf Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes nach billigem Ermessen und führte hierzu aus, der bisher festgestellte Jahresarbeitsverdienstes auf der Grundlage von 600 M monatlich sei in erheblichem Maße unbillig. In dem Kalenderjahr vor dem Arbeitsunfall habe sein Bruttoarbeitsverdienst 16.975,34 M betragen. Dies ergäbe unter Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors von 3,2147 einen Jahresarbeitsverdienst von 54.570,63 DM.
Mit Bescheid vom 22. April 2005 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung ab. Zur Begründung führte sie aus, nach dem hier anzuwendenden § 1152 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) betrage der Jahresarbeitsverdienst für Rentenansprüche, die vor dem 1. Juli 1990 bestandenen hätten, einheitlich 13.680 DM. Unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen liege der Jahresarbeitsverdienst aktuell bei 19.420,39 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005, abgesandt per Briefpost am 3. November 2005, zurück.
Mit der am 2. Dezember 2005 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. November 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, für im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 eingetretene Arbeitsunfälle, für die bereits vor dem 1. Juli 1990 ein Rentenanspruch bestanden habe, sei nach § 1152 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RVO ein Jahresarbeitsverdienst von 13.680 DM zu berücksichtigen, welchen die Beklagte jeweils nach den Rentenanpassungsverordnungen halbjährlich dynamisiert habe. Diese Vorschrift verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Prinzipien. Die Übergangsreglung stelle einerseits den sozialen Schu...