Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erhöhung der Unterkunftskosten durch nicht erforderlichen Umzug. Dauer der Deckelung auf bisherige Unterkunftskosten. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Kappungsregelung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2, die ihrem Wortlaut nach zeitlich unbegrenzt gilt, ist verfassungskonform so auszulegen, dass die Beschränkung auf die bisherigen Aufwendungen mit Ablauf eines Jahres nach dem nicht erforderlichen Umzug entfällt. Danach sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft - begrenzt durch die geltenden Angemessenheitswerte des SGB 2-Leistungsträgers - bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen.
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 17.02.2016; Aktenzeichen B 4 AS 13/15 R) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Berufungsverfahren zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte und Berufungskläger wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG), das dem Kläger und Berufungsbeklagten höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei der Berechnung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2013 zuerkannt hat.
Der 1967 geborene alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit dem Jahr 2005 SGB II-Leistungen. Seit Februar 2005 bewohnte er eine 47,59 m² große Wohnung in der S. im Ortsteil W., für die er zuletzt eine Gesamtmiete iHv 295,15 EUR zu zahlen hatte. Vermieter war die Wohnungs- und Baugesellschaft W. mbH (W). Da der Wohnblock, in dem sich die Wohnung befand, abgerissen werden sollte, suchte der Kläger ab November 2006 eine neue Wohnung. Zum 1. März 2007 bezog er eine 46,75 m² große Wohnung der WBG in der D.er Allee 24, für die Gesamtkosten von 294,44 EUR anfielen.
Am 15. November 2007 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Zusicherung der Übernahme von KdU nach einem Umzug. Er beabsichtige den Bezug einer Wohnung in der H., für die eine Gesamtmiete iHv 301,16 EUR aufzubringen sei. Zur Begründung führte er aus, die derzeitige Wohnung habe er nur übergangsweise angemietet, da er die vorherige wegen des Abrisses habe verlassen müssen. Der Zuschnitt der jetzigen Wohnung sei nicht günstig. Sie habe keinen Balkon; außerdem sei die Wohnstube zu klein, er könne seine Sitzecke (2 x 2 m) nur vor die Heizung stellen. Unter Vorlage von drei weiteren Mietangeboten stellte er am 2. Februar 2008 erneut einen Antrag auf Zustimmung zum Umzug in die vorgenannte Wohnung und wiederholte seine Begründung. Er sei bereit, die Umzugskosten selbst zu tragen.
Mit Bescheid vom 29. Februar 2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Zusicherung zu den Aufwendungen für eine Unterkunft ab. Es lägen keine wichtigen Gründe vor, die einen Umzug erforderlich machen würden.
Mit Veränderungsmitteilung vom 25. Februar 2009 zeigte der Kläger an, er sei am 16. Februar 2009 umgezogen. Er legte den ebenfalls mit der WBG abgeschlossenen Mietvertrag über die 47,29 m² große Wohnung in der H. in W. vor. Die Gesamtmiete von 301,16 EUR setzte sich aus einer Grundmiete iHv 201,16 EUR sowie Vorauszahlungen für Betriebskosten iHv 30 EUR, für Wasser/Abwasser iHv 20 EUR und für Heizung iHv 50 EUR zusammen.
In der Folgezeit berücksichtigte der Beklagte bei der Berechnung der SGB II-Leistungen bei den KdU den Betrag iHv 281,09 EUR, den er für die Wohnung in der D. zuletzt gewährt hatte. Von April bis Dezember 2009 war der Kläger in einer Arbeitsmaßnahme beschäftigt. Da das erzielte Bruttoarbeitsentgelt von 675 EUR (netto ca. 550 bis 560 EUR) zur Bedarfsdeckung nicht ausreichte, bezog er weiter ergänzende SGB II-Leistungen.
Die Betriebskostenabrechnung der W. für das Jahr 2009 führte zu einer Nachzahlung von 220,91 EUR. Ab Januar 2011 war eine Nebenkostenvorauszahlung iHv insgesamt 106,07 EUR (Gesamtmiete nunmehr: 307,23 EUR) zu leisten. Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2010 endete mit einer Forderung der WBG von 365,03 EUR. Die Nebenkostenvorauszahlungen wurden auf 147,13 EUR ab September 2011 erhöht, sodass nunmehr 348,29 EUR zu zahlen waren. Von der Nachzahlung übernahm der Beklagte einen Betrag iHv 311,63 EUR. Nach einer Mieterhöhung um 20% stieg die Kaltmiete auf 241,30 EUR, sodass ab Januar 2012 monatliche Zahlungen von insgesamt 388,43 EUR zu erbringen waren. Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011 ergab eine Nachzahlung von 66,78 EUR. Ab Oktober 2012 waren Vorauszahlungen auf die Betriebskosten iHv 53,45 EUR und auf die Heizkosten iHv 71,87 EUR zu erbringen (Gesamtmiete: 366,22 EUR).
Die Höhe der KdU-Leistungen für den Zeitraum von Februar bis Juli 2012 ist Gegenstand des Parallelverfahrens L 4 AS 777/13.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2013 und Änderungsbescheid vom 8. März 2013 für den Bedarfszeitraum von Februar bis Juli 2013 monatliche Leistungen in einer Gesamthöhe von 669,56 EUR. Neben de...