Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Mutterschutzzeiten. gemischte Bedarfsgemeinschaft. fiktive Einkommensberücksichtigung bzw -berechnung. Mutterschaftsgeld als Vorauszahlung des Elterngeldes. laufende Einnahme. analoge Anwendung der Freibetragsregelung zum Elterngeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der bis zum 1. August 2016 geltenden Rechtslage im SGB II war eine Auszubildende, die dem Grunde nach Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatte, auch während der Mutterschutzzeit von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

2. Das auf das Elterngeld angerechnete Mutterschaftsgeld ist nach der bis zum 1. August 2016 im SGB II geltenden Rechtslage einmaliger Vorauszahlung eine laufende Einnahme. Auf das mit dem Elterngeld zu verrechnende Mutterschaftsgeld ist der für das Elterngeld geltende Freibetrag anzuwenden.

 

Normenkette

SGB II a.F. § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 5-6, § 11 Abs. 2 S. 3, § 20 Abs. 2; SGB II § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 3 S. 2, § 11b Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 3, § 21 Abs. 3 Nr. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 2, 4; SGB III a.F. § 60 Abs. 1, § 73 Abs. 2 Nr. 2; SGB III § 19 Abs. 3, § 65 Abs. 1, § 69 Abs. 2 Nr. 2; Alg II-V § 2 Abs. 3 a.F.; MuSchG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2 S. 1, §§ 17, 19, 21; SGB V § 24i; BEEG §§ 3, 10 Abs. 1, § 5 S. 2; SGG §§ 143, 144 Abs. 3, § 160 Abs. 2, § 193

 

Tenor

Die Berufung zum Aktenzeichen L 2 AS 693/15 wird zurückgewiesen.

Für das Berufungsverfahren L 2 AS 693/15 und das vorgehende Klageverfahren sind keine Kosten zu erstatten.

Für das vorgehende Widerspruchsverfahren hat der Beklagte den Klägern 30 Prozent ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Auf die Berufung zum Aktenzeichen L 2 AS 643/17 werden das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. Mai 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2011 in der Fassung des Bescheides vom 20. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern zu 2) und 3) Sozialgeld für den Zeitraum vom 11. bis 31. Juli 2011 ohne Berücksichtigung von Einkommen der Klägerin zu 1) zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern für das Berufungsverfahren L 2 AS 643/17 und die vorgehenden Widerspruchs- und Klageverfahren jeweils 20 Prozent ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird jeweils nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren vom Beklagten höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 11. Juli 2011 bis 31. August 2011 (hiesiges Aktenzeichen (Az.) L 2 AS 643/17) und für den vom 1. September 2011 bis 13. November 2011 (hiesiges Az. L 2 AS 693/15). Insbesondere beanspruchen sie für die in einem Berufsausbildungsverhältnis stehende Klägerin zu 1) in dieser Zeit - für die Mutterschutz bestand - Arbeitslosengeld II.

Die am ... 1986 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter des am ... 2006 geborenen Klägers zu 2). Ab dem 14. Juli 2008 begann die Klägerin zu 1) eine mit Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) geförderte entgeltliche Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen. Während ihrer Ausbildung gebar die Klägerin zu 1) die am ... 2011 geborene Klägerin zu 3).

In den hier streitigen Zeiträumen nutzten die Kläger eine Wohnung in H. (Saale). Hierfür waren monatlich neben der Kaltmiete in Höhe von 350,95 Euro Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 122,11 Euro und Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 130,00 Euro zu leisten (insgesamt 603,06 Euro).

Für den Zeitraum ab dem Tag der Geburt der Klägerin zu 3) bis zum Ende der Mutterschutzzeit am 13. November 2011 gewährte die Krankenkasse der Klägerin zu 1) Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 Euro je Kalendertag. Die Krankenkasse zahlte das Mutterschaftsgeld in zwei Teilbeträgen am 13. Juli 2011 in Höhe von 546,00 Euro und am 21. Juli 2011 in Höhe von 1.105,00 Euro. Nach dem Ende der Mutterschutzzeit, d.h. ab dem 14. November 2011, nahm die Klägerin zu 1) Elternzeit.

Im Juli 2011 erhielt die Klägerin zu 1) aus dem Ausbildungsverhältnis eine Vergütung in Höhe von 191,75 Euro brutto/153,14 Euro netto, wovon der Ausbildungsbetrieb 30,00 Euro wegen vermögenswirksamer Leistungen abzog. Der Ausbildungsbetrieb gewährte der Klägerin zu 1) einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ab Juli 2011 in Höhe von 0,22 Euro je Kalendertag. Weil die Klägerin zu 1) die Ausbildungsvergütung für den Juli 2011 aber anteilig zurückzuzahlen hatte, kam er ab August 2011 nicht zur Auszahlung, sondern wurde mit der zurückzuzahlenden Ausbildungsvergütung verrechnet.

Die Klägerin zu 1) erhielt in der Mutterschutzzeit (d.h. ab Juli 2011 bis 13. November 2011) weiter BAB. Sie erhielt hierfür im Juli 2011 347,00 Euro (wovon 178,60 Euro für berufsbezogene Aufwendungen gezahlt wurden) und ab August 2011 monatlich 179,00 Euro (Bedarf 572,00 Euro, berücksichtigtes Einkommen 393,19 Euro).

Elterngeld wurde der Klägerin ab dem 10. Juli 2011 bewilligt (Bescheid der El...

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