Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung nach § 106 Abs 1 SGB XII. Zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts nach Abbruch einer stationären Rehabilitation durch fünftägiges Verweilen an einem Ort bis zur erneuten Aufnahme in eine stationäre Einrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beurteilung der Vorläufigkeit der Leistungserbringung iSv § 106 Abs 1 Satz 1 iVm § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII kommt es nicht auf das Tätigwerden des Leistungserbringers nach Außen, dh im Verhältnis zum Leistungsberechtigten, an, sondern auf das Innenverhältnis der am Erstattungsfall beteiligten Leistungsträger.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert auf 20.075,78 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Kostenerstattung für in einem Sozialhilfefall erbrachte Leistungen der stationären Eingliederungshilfe im Zeitraum vom 27. September 2005 bis zum 10. März 2006.

Der im Jahr 1956 geborene R ... B. (im Weiteren: Leistungsberechtigter (LB)) war seit der Beendigung seiner juristischen Ausbildung im Jahr 1987 in verschiedenen Kanzleien in Nordrhein-Westfalen als Rechtsanwalt tätig. Im Oktober 1998 zog er nach G bei D ... und begann dort eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt. Diese gab er im Oktober 2002 auf und arbeitete ab November 2002 wieder als angestellter Rechtsanwalt in D ... Vom 1. Juli 2003 bis zum 15. November 2004 war er einwohnermelderechtlich in D ... in der B. Straße ... gemeldet. Der LB wurde im Juli 2000, von Dezember 2002 bis Februar 2003, März bis Mai 2003, Mai bis Oktober 2003, Januar bis Februar und im Mai 2004 stationär psychiatrisch behandelt. Am 27. Juli 2004 wurde der LB in die stationäre Einrichtung H in P .../B aufgenommen, in der vom 10. August 2004 bis Ende 2005 im Rehabilitationszentrum für psychisch Kranke eine medizinische Rehabilitation erfolgte. Ab dem 1. August 1005 wechselte er in den Übergangsbereich der Einrichtung, in dem er eine arbeitstherapeutisch-tagesstrukturierende Maßnahme begann. Die Kosten der Rehabilitation in der Einrichtung übernahm der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe des Freistaats Sachsen als Eingliederungshilfe. Zuletzt verlängerte er unter dem 1. August 2005 seine Kostenzusage bis zum 31. Oktober 2005.

Der behandelnde Arzt Dr. K. K ... nannte im Abschlussbericht der medizinischen Rehabilitation vom 11. Oktober 2005 als Diagnose eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie mit Residuum (Differenzialdiagnose: schizo-affektive Psychose mit Residuum). Die Eingewöhnungsphase im Rehabilitationszentrum sei für den LB schwierig gewesen. Er habe sich mit der Situation, nicht mehr als Jurist arbeiten zu können, stattdessen in einer Einrichtung für psychisch Kranke unter Betreuung zu stehen, und der Schwere der Erkrankung nicht abfinden können. Es sei gelungen, die vierjährige, fast durchgängige depressive und zum Teil wahnhaft getönte psychische Krise zu durchbrechen. Nunmehr erscheine der LB an vier von fünf Tagen pünktlich im arbeitstherapeutischen Bereich, wo er leichtere Tätigkeiten übernehme. Arbeits- und soziotherapeutisch habe man vorwiegend an Realitätsangleichung und Motivation gearbeitet. Die medikamentöse Behandlung habe das depressive Bild gemildert; inzwischen gebe es mehrtägige Phasen ohne depressive Verstimmung. Es sei nicht gelungen, dem LB die Notwendigkeit der regelmäßigen Einnahme der Medikation und eine adäquate Krankheitseinsicht zu vermitteln. Er verleugne die psychische Grunderkrankung und stelle die neuroleptische Behandlung in Frage. Wegen des mangelnden Krankheitsverständnisses und der geringen medikamentösen Compliance sei weiterhin eine intensive Betreuung erforderlich. Der LB habe noch keine Bewältigungsstrategien entwickelt, sodass eine weitere Betreuung im Wohnbereich indiziert sei. Er wolle weiterhin als Jurist auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten. Dies sei aus fachlicher Sicht nicht realitätsgerecht, das Leistungsvermögen entspreche nicht den Anforderungen. Die Teilnahme an einer arbeitstherapeutisch-tagesstrukturierenden Maßnahme sei ein für den LB akzeptables Nahziel. Sie gewährleiste eine regelmäßige Tagesstruktur; gleichzeitig könne der LB interessengemäß seine PC-Kenntnisse erweitern und Bürotätigkeiten ausführen.

Im ärztlichen Kurzgutachten vom 15. März 2005 für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen hatte Dr. K ... ausgeführt, bislang sei der LB nicht arbeitsfähig. An eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt sei nicht zu denken. Nach Ende der medizinischen Rehabilitation im Juli 2005 scheide eine direkte Wiedereingliederung im erlernten Beruf sicher aus. Daraufhin gewährte das Versorgungswerk mit Bescheid vom 23. August 2005 die Berufsunfähigkeitsrente (iHv mtl. 936,54 EUR) bis zum 31. März 2007 weiter.

Im ärztlichen Verlängerungsantrag für die stationäre Rehabilitation vom 17. Januar 2005 hatte er u.a. ausgeführt: Es falle dem LB schwer, d...

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