Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage. beschränkter Streitgegenstand. Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktionsbescheid aufgrund einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Anhörung. Sanktionszeitraum
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kläger kann einen Absenkungsbescheid nach dem SGB II isoliert mit der Anfechtungsklage angreifen, wenn er seine Klage ausdrücklich hierauf beschränkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der SGB II-Bewilligungsbescheid die Höhe sowohl des an sich zustehenden Leistungsbetrags als auch des Absenkungsbetrags ausweist.
2. Es bedarf keiner Anhörung des Betroffenen vor Erlass des Absenkungsbescheids, wenn ihm zuvor keine höheren Leistungen bewilligt worden sind.
3. Auch in den Fällen des § 31 Abs 4 Nr 3a SGB II aF (§ 31 Abs 2 Nr 3 SGB II nF) dauert die Absenkung drei Monate und nicht zwölf Wochen. Sie beginnt mit dem im Sperrzeitbescheid ausgewiesenen Datum.
4. Die Absenkung wirkt sich ggf erst von einem späteren Zeitpunkt an aus, soweit bis dahin aus anderen Gründen kein SGB II-Leistungsanspruch besteht (hier: fehlende Antragstellung). Einfluss auf das Ende des Absenkungszeitraums (drei Monate ab dem festgestellten Sperrzeitbeginn) hat dies jedoch nicht.
5. Der Sperrzeitbescheid der Agentur für Arbeit hat bei der Anwendung des § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst a SGB II aF (§ 31 Abs 2 Nr 3 SGB II nF) Tatbestandswirkung.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Dauer der Absenkung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Der 1959 geborene Kläger ist verheiratet und lebte mit seiner im Folgejahr geborenen Ehefrau in einer Mietwohnung unter der im Rubrum ersichtlichen Anschrift. Hierfür hatten sie im streitgegenständlichen Zeitraum eine Nutzungsgebühr i.H.v. insgesamt 385,15 EUR monatlich (inklusive 47,35 EUR Vorauszahlung Betriebskosten und 52,99 EUR Vorauszahlung Heizung) zu entrichten. Sie gingen - im Falle des Klägers bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung zum 21. Januar 2011 - abhängigen Beschäftigungen nach. Hieraus erzielte die Ehefrau des Klägers ein Einkommen in unterschiedlicher Höhe. Der Kläger erhielt am 29. April 2011 349,95 EUR Arbeitslosengeld (Alg) ausbezahlt. Für eine geförderte Altersvorsorge wandten er 15,51 EUR und die Ehefrau 23,25 EUR monatlich auf. Über die Freibeträge übersteigendes Vermögen verfügten sie nicht.
Am 3. Februar 2011 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
Mit zwei bestandskräftigen Bescheiden vom 9. Februar 2011 stellte die Agentur für Arbeit M. für den Zeitraum vom 22. Januar bis 15. April 2011 den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest und bewilligte Alg i.H.v. 23,33 EUR kalendertäglich ab 16. April 2011.
Mit Bescheid vom 7. März 2011 senkte der Beklagte den dem Kläger zustehenden Anteil am Alg II für den Zeitraum vom 3. Februar bis 21. April 2011 monatlich um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung ab und teilte mit, dass sich hieraus eine Absenkung i.H.v. 96,90 EUR monatlich ergäbe. Zur Begründung führte er aus, dass das Ruhen des Alg aufgrund einer Sperrzeit eine Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchst. a SGB II i.d. a.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1706) darstelle. Mit Bescheid vom selben Tag bewilligte er dem Kläger und seiner Ehefrau für den Zeitraum 3. Februar bis 30. April 2011 vorläufig Leistungen. Für den Monat April 2011 ergab sich ein Leistungsbetrag i.H.v. jeweils 61,22 EUR, wobei der Beklagte gleichzeitig beim Kläger einen Minderungsbetrag wegen der Sanktion in derselben Höhe (61,22 EUR) festsetzte. Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) berücksichtigte er dabei i.H. der tatsächlichen Kosten abzüglich eines Betrages von 11,64 EUR, mithin i.H.v. insgesamt 373,51 EUR. Hinsichtlich der Vorläufigkeit gab er an, dass aufgrund des monatlich schwankenden Einkommens der Ehefrau des Klägers eine endgültige Feststellung des Leistungsanspruchs erst nach Eingang der monatlichen Einkommensbescheinigungen erfolgen könne.
Gegen den Absenkungsbescheid erhob der Kläger am 14. März 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der Absenkungszeitraum sei nicht korrekt. Er habe in Übereinstimmung mit dem Bescheid der Arbeitsagentur zu erfolgen. Die Sanktion dürfe nicht länger laufen als die Sperrzeit. Nur dies entspräche dem Willen des Gesetzgebers. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Dauer der Sanktion betrage drei Monate. Diese seien am 21. April 2011 beendet.
Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 passte der Beklagte die Leistungen an die rückwirkend zum 1. Januar 2011 erhöhten Regelbedarfe an und bestimmte für April 2011 einen Leistungsbetrag für den Kläger un...