Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungseinlegung. anwaltliche Vertretung. Verstoß gegen das Vertretungsverbot nach § 30 Abs 3 GO ST. Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Unterkunft und Heizung. tatsächliche Aufwendungen. Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen. wirksamer Mietvertrag. Fehlen ordnungsgemäßer Abrechnungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verstoß gegen das Vertretungsverbot des § 30 Abs 3 GO LSA (juris: GO ST) führt nicht zur Unwirksamkeit der Prozesshandlungen im Rahmen der anwaltlichen Vertretung, soweit keine Zurückweisung analog § 73 Abs 2 S 4 SGG iVm § 157 Abs 2 ZPO erfolgt ist.
2. Ein durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung von Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen setzt einen wirksam abgeschlossenen Mietvertrag voraus. Bei Nichtvorliegen einer rechtzeitigen Nebenkostenabrechnung steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht über die monatlichen Vorauszahlungen zu.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 65,00 € und einer Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 66,30 € (jeweils pro Monat) für den hier allein streitigen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2009 zusteht.
Der 1928 geborene Kläger ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1997 in Sachsen-Anhalt. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G festgestellt. Der Kläger ist freiwillig krankenversichert und Mitglied der sozialen Pflegeversicherung.
Der Kläger erhält seit November 1997 Zahlungen der Jewish Claims Conference, die im verfahrensgegenständlichen Zeitraum an den Kläger in Höhe von 871,30 €/Quartal im Januar 2009 ausgezahlt wurden. Mit Bescheid vom 29. Juli 2008 bewilligte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen dem Kläger eine einmalige Anerkennungsleistung in Höhe von 2.000,00 €. Rechtsgrundlage dieser Entscheidung war die Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war und bisher ohne sozialversicherungsrechtliche Berücksichtigung geblieben ist (Anerkennungsrichtlinie). Der Betrag von 2.000,00 € floss dem Kläger am 14. August 2008 zu.
Zunächst erhielten der Kläger und seine Ehefrau von der beklagten Stadt als dem örtlichen Sozialhilfeträger Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege. Ab dem 1. Januar 2003 bezogen sie Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) sowie einen besonderen Mietzuschuss nach dem Wohngeldgesetz (WoGG).
Nachdem der Kläger und seine am 9. Juni 2008 verstorbene Ehefrau zunächst in einer Mietwohnung der Wohnungsbaugenossenschaft M.-S. eG gewohnt hatten, mieteten sie zum 1. November 2003 im Hinterhaus des Grundstücks K. ... 12 in M. gelegene 65 qm große Räumlichkeiten an. Grundstückseigentümer und Vermieter sind der Sohn des Klägers und dessen Ehefrau. Ausweislich des Mietvertrages vom 6. Oktober 2003 befinde sich die vermietete Wohnung im ersten Obergeschoss im Hinterhaus und bestehe aus drei Zimmern, einer Küche/Kochnische, einem Bad/Dusche mit WC, einer Diele/Flur sowie einem Kellerraum und einem Dachbodenanteil. Die zu zahlende Miete betrage monatlich 404,30 € aus 273,00 € Grundmiete, 65,00 € Vorauszahlungen für Betriebskosten und 66,30 € Vorauszahlungen für Heizkosten/Warmwasser. Betriebskosten im Sinne von § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung würden umgelegt; dafür würden Vorauszahlungen für die im Einzelnen aufgeführten allgemeinen Betriebskosten unter Bezugnahme auf die Anlage 1 erhoben. Nach dem Mietvertrag rechnet „das Wohnungsunternehmen“ die Vorauszahlungen der Betriebskosten jährlich ab. Die Abrechnung erfolge für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember des Jahres nach dem Verhältnis der Wohnflächen und entsprechend der Anlage 1.
Aus den zur Verwaltungsakte gelangten Kontoauszügen ergibt sich, dass die im Mietvertrag vereinbarten Zahlungen zu Beginn überwiesen wurden, die Überweisungen jedenfalls in der Zeit vom 29. September bis zum 16. Dezember 2008 unterbrochen und im Monat Oktober 2009 wieder aufgenommen wurden. Aus den von der Stadtsparkasse M. für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2009 übersandten Umsatzübersichten des Kontos des Klägers ergeben sich weder Überweisungen in Höhe der Grundmiete noch in Höhe der Grundmiete zuzüglich der für die Betriebs- und Heizkosten vereinbarten Vorauszahlungen.
Zunächst wurden die im Mietvertrag vereinbarten Beträge von der Beklagten im Rahmen der Berechnung der Leistungen nach dem GSiG berücksichtigt. Nach Inkrafttreten des Vierten Kapitels des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) setzte die Beklagte zuletzt bis zum 31. Dezember 2008 die vereinbarten Zahlungen für Grundmiete, Betriebskosten und Heizkosten unter Abzug eines Betrags für die Kosten der...