Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht selbständig Tätiger für nur einen Auftraggeber. Handelsvertreter. keine Berücksichtigung konzernrechtlicher Verflechtungen, Organisationsgemeinschaften oder Arbeitsgemeinschaften. Berücksichtigung personeller und wirtschaftlicher Verknüpfungen mit abgestimmtem und parallel verlaufendem unternehmerischen Auftreten
Orientierungssatz
1. Von einer Tätigkeit auf Dauer nur für einen Auftraggeber ist auszugehen, wenn die Tätigkeit im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt. Das Erfordernis, im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig zu sein, wird von der Praxis als erfüllt angesehen, wenn der Betroffene mindestens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus den zu beurteilenden Tätigkeiten alleine aus einer dieser Tätigkeiten erzielt. Entscheidend sind dabei allein die tatsächlichen Verhältnisse (vgl LSG Celle-Bremen vom 26.1.2006 - L 1 RA 105/04).
2. Auftraggeber eines Handelsvertreters ist der Prinzipal und nicht etwa die einzelnen Kunden (vgl LSG Darmstadt vom 9.6.2005 - L 1 KR 550/03).
3. Für die Frage, ob nur "ein Auftraggeber" im Sinne des § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 vorliegt, liegt keine Regelungslücke vor, die durch eine analoge Anwendung der §§ 12a TVG, 92a Abs 2 S 1 HGB zu schließen wäre.
4. Die soziale Schutzbedürftigkeit, welche die Versicherungspflicht nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 begründet, ist auch dann gegeben, wenn mehrere Auftraggeber derart eng personell und wirtschaftlich miteinander verknüpft sind, dass üblicherweise zu erwarten ist, dass das unternehmerische Auftreten zwischen diesen abgestimmt ist und parallel verläuft (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 6.2.2007 - L 22 R 1732/05).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 26. Oktober 2005 teilweise abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2002 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin gem. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI für den Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis 31. Dezember 2003 festgestellt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als arbeitnehmerähnliche Selbständige gesetzlich rentenversicherungspflichtig ist.
Am 30. Dezember 1999 schloss die Klägerin mit der Q GmbH & Co. KG, vertreten durch die Q Verwaltungs-GmbH (im nachfolgenden Q genannt) einen Partnerschafts- und Abrechnungsvertrag. Der Vertrag lief mit Wirkung ab 1. Februar 2000. Darin heißt es u. a.:
1.1. Die Q ist eine Allfinanz-Vermittlungsgesellschaft, die sich mit der Vermittlung von Finanzdienstleistungen jeder Art befasst. Diese Vermittlungstätigkeit wird von der Q i. S. §§ 84 ff. HGB ausgeübt.
...
2.1. Der Partner ist selbständiger Handelsvertreter im Nebenberuf i. S. d. §§ 84 ff., 92 und 92 b HGB i. V. m. 43 VVG, soweit nicht eindeutig Hauptberuflichkeit gegeben oder vereinbart ist. Er verpflichtet sich, nach besten Kräften die zum Produktbereich der Q und der Gesellschaften gehörenden Produkte zu vermitteln und alles zu tun, um die Vermittlung solcher Produkte zu fördern.
Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 10 ff. der Gerichtsakte (GA) verwiesen. Außerdem schloss die Klägerin im Februar 2000 mit der WWK Lebensversicherung a. G. einen Vertrag (Vertragsbeginn: 1. Februar 2000). Darin heißt es u. a.:
§ 1 Nr. 1
Der Vertragspartner wird damit betraut, für die WWK Anträge auf Abschluß, Änderung, und Wiederinkraftsetzung von Lebensversicherungen nach deren Tarif zu vermitteln.
Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 20 ff. GA verwiesen. Ebenfalls im Februar 2000 schloss die Klägerin rückwirkend zum 1. Februar 2000 einen Vertrag mit der Stuttgarter Lebensversicherung a. G. Darin heißt es u. a.:
Rechtsstellung
Sie sind nebenberuflicher Handelsvertreter im Sinne des § 92b HGB und Vermittlungsagent nach § 43 VVG.
Wegen des weiteren Inhaltes des Vertrages wird auf Bl. 32 ff. GA verwiesen.
Die damalige LVA Westfalen führte im Jahr 2000 bei der Q eine Betriebsprüfung gem. § 28 p des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) durch. Dabei erhielt sie Kenntnis über den Einsatz von selbständigen Handelsvertretern, die als Vermittler von Finanzdienstleistungen aller Art für die Q im gesamten Bundesgebiet tätig seien. Die damalige LVA Westfalen unterrichtete die Beklagte davon, dass sich keine Feststellungen ergeben hätten, die einer Selbständigkeit der Handelsvertreter entgegenstünden. Allerdings bestünde für diese unter Umständen eine Rentenversicherungspflicht als Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr. 9 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI).
Die Beklagte wandte sich daher mit mehreren Schreiben an die Klägerin und stellte schl...