Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. fiktive Einbeziehung. sachliche Voraussetzung. ingenieurtechnische Tätigkeit. Tätigkeit als Abteilungsleiter Kader, Aus- und Weiterbildung. Ingenieurtitel in der Fachrichtung Landtechnik. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG muss sich am Wortlaut, dem Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und der Systematik orientieren (siehe zu den Auslegungskriterien zB BVerfG vom 8.2.1999 - 1 BvL 25/97). Bei alleiniger Anknüpfung an den Wortlaut kann man zu einem Verständnis der Norm gelangen, nach dem nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abzustellen ist. Bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien verbietet sich dieses Ergebnis aber.
2. Weder aus Art 17 EinigVtr noch aus Art 19 EinigVtr ergibt sich eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots (Entgegen BSG vom 19.10.2010 - B 5 RS 3/09 R = Rd Nr 22). Für Art 17 EinigVtr folgt dies bereits daraus, dass einer bloßen Absichtserklärung kein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Auch Art 19 EinigVtr enthält nach seinem Wortlaut keine Aussage zu einer Modifizierung des Neueinbeziehungsverbotes.
Orientierungssatz
1. Das AAÜG ist nur dann anwendbar, wenn eine konkrete Zusage auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem (hier: zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) vorliegt.
2. Das AAÜG hat den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1.8.1991 erfassten" Personen nicht erweitert und das Neueinbeziehungsverbot nicht modifiziert (Entgegen BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 31/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 2).
3. Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG lässt sich eine Erweiterung der Anwendbarkeit des AAÜG auf Personen, die am 30.6.1990 einen Anspruch auf Einbeziehung bzw auf eine Versorgungszusage gehabt hätten, nicht begründen, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre.
4. Die vom Bundessozialgericht vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die Grenzen richterlicher Entscheidungsbefugnis, die sich aus Art 20 Abs 2 und 3 GG ergeben.
5. Zum Vorliegen der sachlichen Voraussetzung einer fingierten Versorgungsanwartschaft nach dem AAÜG bei einem als Abteilungsleiter Kader, Aus- und Weiterbildung beschäftigten Ingenieur der Fachrichtung Landtechnik.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 20. Februar 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und das in dieser Zeit erzielte Entgelt festzustellen hat.
Der am .. geborene Kläger besuchte vom .. bis .. eine Ingenieurschule für Landtechnik. Mit Urkunde vom .. wurde ihm von dieser das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung Ingenieur für Landtechnik zu führen. Ab dem .. bis zum 30. Juni 1990 war der Kläger zunächst als Leiter der Produktionslenkung und ab dem .. als Abteilungsleiter Kader, Aus- und Weiterbildung in dem VEB Kreisbetrieb für Landtechnik (KfL) S. tätig. 1975 trat der Kläger der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei. Eine schriftliche Zusage über eine Zusatzversorgung erhielt er zur Zeit der DDR nicht.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, die Beschäftigungszeiten vom .. bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen. Er gehöre nicht zum Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten. Hiergegen legte der Kläger am 17. März 2003 Widerspruch ein und führte aus, dass er alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfülle. Der VEB KfL sei aus den Maschinen-Ausleih-Stationen hervorgegangen. Er habe auch von seiner Arbeitsaufnahme ab dem 1. November 1971 in dem VEB KfL S. bis zum Ende seiner Beschäftigung in der H. GmbH am 30. Juni 1990 ausschließlich eine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, die der Kläger näher schilderte. Ferner legte er einen Funktionsplan für seine Tätigkeit als Abteilungsleiter Kader, Aus- und Weiterbildung vor und fügte diverse weitere Unterlagen bei. Darunter befand sich ein Schreiben der "H. GmbH i. G." vom 1. Juni 1990. Darin heißt es: "Mit der Bildung der H. GmbH ab 1. Juni 1990 werden auf der Basis gesetzlicher Bestimmungen die bisherigen Rechte und Pflichten, die aus dem Arbeitsrechtsverhältnis mit dem KfL S. bestanden, durch die H. GmbH übernommen". Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, er habe im Juni 1990 als Ingenieur eine Tätigkeit in der H. GmbH ausgeführt. Dabei handele es sich nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb und auch nicht um einen gleichgestel...