Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweisbarkeit eines erwerbsgeminderten Versicherten nach dem Mehrstufenschema des BSG
Orientierungssatz
1. Ein vor 1961 Geborener hat nach § 240 SGB 6 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei bestehender Berufsunfähigkeit. Abzustellen ist dabei auf den bisherigen Beruf. Auf die ausgeübte Tätigkeit eines Facharbeiters kann hierbei dann nicht abgestellt werden, wenn sich der Versicherte von dieser Tätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst hat.
2. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt sich nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema. Die Gruppe der Angelernten wird wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich unterteilt. Dem oberen Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen.
3. Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen.
4. Der Mitarbeiter eines Call-Centers benötigt eine maximale Einarbeitungszeit von zwei Wochen. Als Ungelernter ist er auf den gesamten Allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 9. März 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die 1960 geborene Klägerin erlernte den Beruf einer Geologiefacharbeiterin (Facharbeiterzeugnis vom 15. Juli 1979) und arbeitete dann bis August 1980 als Sachbearbeiterin in der Erdgaserkundung. Danach begann sie ein Studium, musste dieses aber aus persönlichen Gründen abbrechen. Ab August 1984 arbeitete sie als kaufmännische Angestellte. Im Dezember 1989 erwarb sie einen Facharbeiterabschluss als Wirtschaftskaufmann/Land- und Nahrungsgüterwirtschaft. Ab Juli 1994 war sie arbeitslos. Von März 1998 bis Dezember 1999 arbeitete sie als kaufmännische Angestellte bei der Spedition K., D ... Danach war sie bis Ende Januar 2001 arbeitslos und arbeitete dann als Sachbearbeiterin bei der Tischlerei K., M ... Diese Beschäftigung übte sie bis Februar 2003 aus. Nach Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit war sie von Oktober 2004 bis Ende Januar 2005 bei der R. & Co. KG als Call-Center-Agent angestellt.
Nach einem Sturz im Dezember 2004 musste die Klägerin stationär behandelt werden. In der Zeit vom 18. Januar 2005 bis zum 22. Februar 2005 führte sie eine Anschlussheilbehandlung in der Rehaklinik B. S. durch. Im Rehabilitationsentlassungsbericht vom 24. Februar 2005 wurde unter Zugrundelegung der Diagnosen
Zustand nach instabiler Lendenwirbelkörper 1 - Fraktur mit Hinterkantenbildung und
Rhinitis allergica
eingeschätzt, dass die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Call-Center-Agent noch sechs Stunden und mehr verrichten könne. Ansonsten könne sie noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Zu vermeiden seien langes Stehen, ständiges Sitzen, Heben und Tragen schwerer Lasten, häufiges Bücken, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten, ständige Überkopfarbeiten und lang andauernde Zwangshaltungen. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen, wobei mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht vor Ablauf von vier bis fünf Monaten nach dem Sturz gerechnet wurde.
Im November 2005 wurde die Klägerin, nachdem sie am 25. Juli 2005 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation gestellt hatte, von Dr. S., Fachärztin für Orthopädie, begutachtet. In ihrem Gutachten vom 8. November 2005 schätzte die Ärztin unter Zugrundelegung der Diagnosen
statische Rückenschmerzen bei Zustand nach Wirbelkörperfraktur,
anamnestisch rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom rechts und
rezidivierende Cervikalsyndrom
ein, dass von orthopädischer Seite eine vollschichtige Einsatzfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen bestehe. Den Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2006 ab.
Am 6. Juni 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte Befundberichte ein (Dr. F., Facharzt für Orthopädie, vom 24. Juli 2006; Dr. R., Praktische Ärztin, vom 27. Juli 2006) und beauftragte Dr. E., Facharzt für Neurologie/Psychiatrie/Psychotherapie, und Dr. L., Facharzt für Orthopädie, mit der Erstellung von Gutachten auf ihren Fachgebieten. Dr. E. kam in seinem Gutachten vom 21. September 2006 unter Zugrundelegung der Diagnosen
somatoforme autonome Funktionsstörung mehrerer Organe und
abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstör...