Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Festlegung von Vergleichsräumen innerhalb des Landkreises Börde. gerichtliche Überprüfung. Datenerhebung. Methodenfreiheit. Clusteranalyse. Fortschreibung des Konzepts
Leitsatz (amtlich)
1. Der Landkreis Börde (Fläche 2.366 km²) ist als Gebietskörperschaft kein einheitlicher "Vergleichsraum", denn seine kreisangehörigen Gemeinden weisen erhebliche strukturelle Unterschiede auf, die sich bei einer bewertenden Betrachtung von Topografie, Siedlungsdichte und Infrastruktur ergeben. Er besteht ausgehend von den Wohnorten aus 13 Vergleichsräumen in Form der politischen Gemeinden und der Verbandsgemeinden. Diese verfügen über jeweils eigene Wohnungsmärkte.
2. Die Bestimmung des Vergleichsraums ist nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen.
3. Die durchgeführte Mietwerterhebung für den gesamten Landkreis Börde genügt unter Berücksichtigung der Methodenfreiheit den Anforderungen des BSG an ein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft (Bruttokaltmiete). Insbesondere erfolgte die Mietdatenerhebung zum Stichtag 1.7.2012 in allen vom Senat festgestellten Vergleichsräumen. Umfang sowie Art und Weise der Datenerhebung sind im Rahmen der Methodenfreiheit nicht zu bemängeln. Es ist auch zulässig, dass im Rahmen der Datenauswertung durch die sog "Clusteranalyse" einzelne Vergleichsräume zu Wohnungsmarkttypen zusammen gefasst worden sind. Dabei handelt es sich um eine statistisch anerkannte Methode mit dem Zweck, die Datenbasis zu verbreitern. Die dafür gewählten Kriterien sind schlüssig.
4. Die Fortschreibung des Konzepts zum 1.6.2014 ist nicht zu beanstanden. Sie ist nach zwei Jahren ab Veröffentlichung der Richtlinie der Behörde vorzunehmen, wenn dies im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Datenerhebung und -auswertung geschieht. Die Vorgehensweise, eine Überprüfung und Neufestsetzung der Unterkunftskosten anhand der Entwicklung der Wohnungsmieten und Wohnungsnebenkosten im Land Sachsen-Anhalt vorzunehmen, ist im Rahmen der Methodenfreiheit zulässig. Das gleiche gilt für den Vergleich der Indexentwicklung vom Stichtag der Datenerhebung an (1.7.2012) bis zum Ablauf der Zweijahresfrist nach Inkrafttreten der Richtlinie.
Nachgehend
Tenor
Die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Mai 2017 werden aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung durch das Sozialgericht Magdeburg, dem Kläger für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 weitere 411,85 EUR (L 5 AS 408/17) und für April bis September 2014 weitere 645 EUR (L 5 AS 409/17) zu leisten.
Der 1964 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 vom Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Er bewohnt eine 68,4 qm große, zentral mit Gas beheizte Zwei-Zimmer-Wohnung. Das Warmwasser bereitet er mit einem Elektroboiler. Hierfür hatte er ab 1. Februar 2012 monatlich eine Bruttowarmmiete in Höhe von 388 EUR (Grundmiete: 318 EUR, Betriebskostenvorauszahlung: 55 EUR, Heizkostenvorauszahlung: 15 EUR) sowie ab 1. Januar 2014 eine Grundmiete in Höhe von 318 EUR/Monat, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 61 EUR/Monat und eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 33 EUR/Monat (zusammen 412 EUR/Monat) zu zahlen. Für einen Stellplatz waren 12,50 EUR/Monat fällig.
Bereits mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 hatte der Beklagte den Kläger darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) unangemessen hoch seien. Die tatsächlichen KdUH würden längstens für sechs Monate anerkannt. Die Absenkung der Leistungen für die KdUH erfolgte ab Juli 2005. Weitere Hinweise auf die Unangemessenheit der KdUH erfolgten durch Übersendung des Merkblatts vom 20. März 2013, das der Kläger unterzeichnete. Die angemessene monatliche Bruttokaltmiete betrage 271,50 EUR/Monat. Die unangemessenen Kosten würden nur bis 30. September 2013 übernommen.
Bereits zum 1. März 2013 war die am 20. Februar 2013 auf der Homepage des Landkreises Börde veröffentlichte "Sechste Änderung der Richtlinie 1/2008 über die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Unterkunftsrichtlinie)" in Kraft getreten.
Der Kläger bezog in der Zeit vom 1. September 2013 bis 30. April 2014 Arbeitslosengeld I (Alg I) in Höhe von 115,80 EUR/Monat (Bescheid vom 11. September 2013). In der Zeit vom 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2013 war er in einem Ehrenamt für die Gemeinde tätig. Er erhielt eine Aufwandspauschale in Höhe von 55 EUR/Monat, die jeweils im Folgemonat ausgezahlt wurde. Der Kläger unterhielt eine Kfz-Haftpflichtversicherung, für die er im Jahr 2013 m...