Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme für eine chirurgische Brustaufbauplastik. Grundvoraussetzung für krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht. Annahme einer Entstellung. Nichtbestehen eines Anspruchs auf Krankenbehandlung in Form körperlicher Eingriffe
Leitsatz (amtlich)
1. Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt ist oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl zu Hautverfärbungen BSG vom 13.7.2004 - B 1 KR 11/04 R = BSGE 93, 94 = SozR 4-2500 § 13 Nr 4).
2. Ein "natürlicher" Zustand einer weiblichen Brust lässt sich durch weitere Operationen mit neuen Implantaten nach fehlgeschlagener Brustaufbauoperation nicht herstellen.
3. Eine Entstellung kann nur angenommen werden, wenn die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden ist, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn die anatomische Abweichung bzw Auffälligkeit nur im unbekleideten Zustand sichtbar ist.
4. Ein Anspruch auf Heilbehandlung in Form körperlicher Eingriffe besteht regelmäßig nicht, wenn diese Maßnahmen nicht durch Fehlfunktionen oder durch Entstellung veranlasst werden, sondern durch eine psychische Erkrankung.
Normenkette
SGB V § 27 Abs. 1 Sätze 1-2, § 1 S. 2, § 2 Abs. 1 S. 1; SGB X § 116 Abs. 7 S. 2
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Kosten für eine chirurgische Brustaufbauplastik.
Die Klägerin ist im Februar 1960 geboren. Am ... 1996 unterzog sie sich einer transaxillären Mammaaugmentation beidseits, da sie sich aufgrund einer Mikromastie nicht als vollwertige Frau fühlte. Für diese Operation wandte die Klägerin rund 530 DM auf; im Übrigen erfolgte die Abrechnung gegenüber der Krankenkasse im Zusammenhang mit den Kosten einer Unterleibsoperation. Wegen Dislokation des Implantates wurde kurze Zeit später eine Korrekturoperation durchgeführt und drei Monate später ein Prothesenwechsel wegen Wundheilungsstörungen vorgenommen. Weitere Prothesenwechsel erfolgten 1998 und 1999 sowie im Jahre 2000 eine weitere Mamma-Operation wegen einer Kapselfibrose mit Entfernung der linken Prothese. 2001 fand wieder eine Mamma-Operation mit einer Augmentation der linken Mamma mit subpectoralem Implantat sowie erneut im Jahre 2003 eine Mamma-Operation mit Prothesenexplantation und Kapselexzision beider Mammae wegen Kapselfibrosen beidseits statt.
2002 erhielt die Klägerin von einer kommunalen Schadensausgleichsstelle 25.000,00 Euro zur Abgeltung aller aus dem Schadensfall vom 13. September 1996 abzuleitenden Forderungen (Blatt 102 Gerichtsakte).
Aufgrund eines Antrags der Klägerin auf eine Mamma-Aufbauplastik im Mai 2004 erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) im Juni 2004 ein Gutachten. Der Gutachterin gegenüber gab die Klägerin an, sie habe daran "zu knabbern", seit September vergangenen Jahres keinen Partner mehr haben. Sie gehe nicht mehr Baden und habe Schwierigkeiten beim Einkauf von Bekleidung. Zum Begutachtungszeitpunkt trug die Klägerin einen mit Gel-Polstern gefütterten BH. Nach Ansicht der Gutachterin lag eine Mammahypoplasie vor, die keine Indikation für eine Operation als Kassenleistung darstelle. Bei der begehrten Brustaufbauplastik handele sich um einen rein kosmetischen Eingriff, dessen Kosten die Versicherte selbst tragen müsse. Der Volumenmangel könne problemlos durch einen Push-up-BH oder Einlagen im BH ausgeglichen werden. Erneute postoperative Komplikationen könnten nicht ausgeschlossen werden, so dass schon aus gutachterlicher Sicht von weiteren Operationen abzuraten sei.
Aufgrund eines neuen Antrages der Klägerin im August 2006 wurde unter dem 8. September 2006 ein weiteres Gutachten des MDK durch Dipl.-Med. K. erstellt, der das Vorgutachten bestätigte: Die Mammahypoplasie stelle keine Indikation für einen operativen Eingriff dar; es handele sich um eine rein kosmetische Operation. Bei sich wiederholenden Komplikationen nach gleichartigen Eingriffen sei insgesamt nicht davon auszugehen, dass eine weitere derartige Operation erfolgreich sein werde. Hinzu kämen die multiplen Beschwerden der Klägerin. Die psychotherapeutische Behandlung solle unbedingt fortgeführt werden, da davon auszugehen sei, dass der Operationswunsch eher eine allgemeine Unzufriedenheit ausdrücke, hinter der wesentliche andere Probleme stünden. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden.
Im Jahre 2007 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und bat um Prüfung, ob ein Brustaufbau genehmigt werden könne. Die Beklagte zog einen Bericht der Rehabilitationsklinik G. über eine Behandlung vom 25. April bis 23. Mai 2007 bei. Die dortigen Diagnosen lauteten auf e...