Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Versicherten auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit als sog. Arbeitsmarktrente
Orientierungssatz
1. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB 6 teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz inne und hat der Rentenversicherungsträger auch keinen konkreten Arbeitsplatz weder aufgezeigt noch angeboten, so besteht wegen einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung i. S. der sog. Arbeitsmarktrente.
2. Ist eine Dauerrente nicht zu bewilligen, so ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 102 Abs. 2 auf drei Jahre zu befristen. Bei einer Weitergewährung der Zeitrente entsteht nach § 102 Abs. 2 S. 5 SGB 6 ein Anspruch auf Dauerrente.
3. Die befristete Rente beginnt gemäß § 101 Abs. 1 SGB 6 nach sieben Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Februar 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. März 2015 bis zum 28. Februar 2018 zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Der am ... 1968 geborene Kläger absolvierte von September 1984 bis Juli 1987 erfolgreich eine Berufsausbildung zum Ausbaumaurer. Er war nachfolgend für verschiedene Bauunternehmen bis zur betriebsbedingten Kündigung des letzten Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2001 als Maurer versicherungspflichtig beschäftigt.
Der Kläger erlitt am 10. Juli 1985 einen Verkehrsunfall mit dem Moped, bei dem er durch einen rückwärtsfahrenden Lkw überrollt wurde. In dem Erstgutachten über die Feststellung des Körperschadens infolge eines Arbeitsunfalles von dem Facharzt für Chirurgie Medizinalrat Dr. H. vom 24. September 1986 wird als Unfallfolge eine Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes nach zentraler Hüftluxation angegeben. Er bezieht eine Unfallrente von der Bergbauberufsgenossenschaft (BBG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. und im Übrigen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Der Kläger verfügt über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw, den er nach eigenen Angaben für kürzere Fahrten weiterhin nutzt.
Die Beklagte holte auf den ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung das Gutachten von dem Facharzt u.a. für Orthopädie Dr. A. vom 19. März 2007 ein, der bei dem Kläger eine ausgeprägte posttraumatische Arthrose des linken Hüftgelenkes mit deutlicher Bewegungseinschränkung und leichter Atrophie der Oberschenkelmuskulatur als Befund angab. Eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit überwiegend im Sitzen - ohne Arbeiten im Bücken, Hocken oder Knien, das Besteigen von Leitern und Gerüsten und lange Laufstrecken - könne der Kläger aus orthopädischer Sicht vollschichtig ausführen. Er sei auch in der Lage, viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. In dem nach Ablehnung des vorgenannten Rentenantrages eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (S 1 (4) R 400/07) wurde das Gutachten von Dr. W., Leitender Oberarzt am Zentrum für Rückenmarksverletzte und der Klinik für Orthopädie an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B., vom 14. Mai 2008 eingeholt. Mit der posttraumatischen Arthrose des linken Hüftgelenkes seien für den Kläger Anlauf- und Belastungsschmerzen verbunden. Nach einer gewissen Anlaufzeit seien Gehstrecken von 800 bis 1000 m von ihm sicherlich gut zu bewältigen. Er könne Wegstrecken von 500 m viermal täglich in jeweils maximal zehn bis zwölf Minuten problemlos zurücklegen. Der Kläger könne noch körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten (mit weiteren qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich verrichten. Die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe seit Dezember 2006. Durch den Einbau einer Hüftprothese oder eines Oberflächenersatzes bei dem jungen Patienten könne sich die Leistungsfähigkeit deutlich bessern. Die Klage wurde durch rechtskräftig gewordenen Gerichtsbescheid abgewiesen.
Auch die gegen die Ablehnung des zweiten Rentenantrages des Klägers vom 16. September 2008 erhobene Klage (S 12 R 370/09) wies das SG Dessau-Roßlau mit Gerichtsbescheid ab. In dem - schließlich durch Rücknahme des Rechtsmittels beendeten - hiergegen geführten Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt...