Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Anspruch auf großes Blindengeld. Sehschärfe unter 1/50. gegensätzliche Gutachten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf das große Blindengeld setzt ua voraus, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt. Diese Voraussetzung ist bei widersprüchlichen ärztlichen Befunden und Gutachten nicht festzustellen, wenn nur ein Sachverständiger eine Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 feststellt, aber aus anderen Gutachten und Befunden zeitlich vor und nach diesem Gutachten ein besseres Sehvermögen abzuleiten ist.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Blindengeld streitig.

Die am ... 1950 geborene Klägerin (damals wohnhaft: ...) beantragte am 5. Juli 2007 bei dem Beklagten die Gewährung von Blindengeld. Der Beklagte holte einen Befundbericht der Augenärztin Dr. K. vom 18. Juli 2007 ein. Unter den Diagnosen chronisches Glaucoma simplex, Zustand nach Glaukom-OP rechts (2005), Pseudophakie (HKL) rechts OP (Dezember 2006) sowie links OP (Juli 2007) gab diese den Visus rechts LPF sowie links mit sc 0,16 - 075s - 1,5c 165 = 0,4 an.

Aufgrund der mitgeteilten Gesichtsfeldseinschränkungen teilte Dr. K. auf Nachfrage des Beklagten mit, dass der Gesichtsfeldsausfall durch die Glaukompapille erklärbar sei. Daraufhin gab der Beklagte eine kinetische Perimetrie bei Dr. K. in Auftrag. Hierauf übersandte die Augenärztin eine Gesichtsfelduntersuchung vom 5. Juli 2007, die vom Versorgungsarzt Dr. W. ausgewertet worden ist. Danach sei auf dem rechten Auge ein Visus Lux sowie ein Gesichtsfeld kleiner als 5° und auf dem linken Auge ein Visus von 0,4 sowie ein Gesichtsfeld von ca. 17° festzustellen (versorgungsmedizinische Stellungnahme vom 10. Dezember 2007).

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte wegen einer hochgradigen Sehbehinderung ab Juli 2007 ein Blindengeld in Höhe von monatlich 41,00 EUR (sog. kleines Blindengeld). Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch vom 3. Januar 2008 und gab eine wesentliche Verschlechterung an. Zur Glaubhaftmachung legte sie einen Arztbrief des Städtischen Klinikums D. vom 21. Dezember 2007 über einen stationären Aufenthalt vom 18. bis 21. Dezember 2007 vor. Darin diagnostizierte Privatdozent (PD) Dr. F. neben den bekannten Diagnosen eine Amblyopie (rechts) und ein primär chronisches Offenwinkelglaukom mit Flintenrohrgesichtsfeld (links). Der Visus sei rechts mit Lux +, projectio falsa und links mit csv 0,3 zu bewerten.

Auf Veranlassung des Beklagten übersandte Dr. K. eine kinetische Perimetrie vom 4. Februar 2008. Daraufhin fragte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung gegenüber der Augenärztin nach, ob die Gesichtsfeldeinengung innerhalb kurzer Zeit zugenommen habe und aus den Befunden erklärbar sei. Im Befundschein vom 14. März 2008 wies Dr. K. darauf hin, dass die Gesichtsfeldeinschränkung durch die glaukomatöse Opticusschädigung bedingt sei. Die Klägerin sei vor Kurzem in H. augenärztlich untersucht worden. In einem beigefügten Arztbrief des Städtischen Klinikums D. vom 22. Februar 2008 empfahl PD Dr. F. eine Zyklofotokoagulation am linken Auge. Nach einem Hinweis des versorgungsmedizinischen Dienstes zog der Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Augenheilkunde PD Dr. M. vom 13. Februar 2008 (Untersuchung vom selben Tage) bei, das auf Veranlassung der Deutschen Rentenversicherung Bund erstattet worden war. Der Gutachter führte darin aus: Auf der rechten Augenseite könne die Klägerin lediglich Licht erkennen, wobei die Einfallsrichtung fehlerhaft angegeben worden sei. Linksäugig betrage der Visus 0,3. Die Projektionsperimetrie ergebe als Befund eine Marke III/4 (durchschnittliches Gesichtsfeld zentral 8° mit typischem "nasalen Sprung") und Marke V/4 (durchschnittlicher Rest von 11° bis 12°). Im Parallelversuch hätten sich massive Gesichtsfeldausfälle bestätigt. Der Gutachter diagnostizierte außerhalb seines Fachgebiets einen arteriellen Bluthochdruck, psychovegetative Störungen bei drohender Erblindung sowie eine Übergewichtigkeit. Auf dem rechten Auge bestehe ein absolutes Glaukom mit Visus und Gesichtsfeldsrest. Linksäugig bestehe ein massiver Gesichtsfelddefekt mit Visusherabsetzung sowie praktische Erblindung. Zusammenfassend liege eine hochgradige Sehbehinderung mit schlechter Prognose vor. Der Beklagte ließ diese Befunde durch den Versorgungsarzt MR Dr. S. unter dem 28. Mai 2008 auswerten, der hierzu ausführte: Der Visus auf dem linken Auge betrage 0,3 HKL bei einem Gesichtsfeld von ca. 8°. Es sei daher von einer hochgradigen Sehbehinderung auszugehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin - nunmehr anwaltlich vertreten - am 29. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Bei ihr sei die Sehfähigk...

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