Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Regelung im Rahmen einer Pflegesatzvereinbarung über Zahlung von Verzugszinsen. kein Rückgriff auf § 286 BGB. sozialgerichtliche Rechtshängigkeit. Anspruch auf Prozesszinsen. analoge Anwendung des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273 und 274 BGB. Leistungsverweigerungsrecht bei Verletzung der Mitwirkungspflichten
Orientierungssatz
1. In Fällen, in denen Krankenkassen und Krankenhäuser eine Regelung im Rahmen einer Pflegesatzvereinbarung über die Zahlung von Verzugszinsen getroffen haben, scheidet ein Rückgriff auf § 286 BGB aus. Dies folgt sowohl aus den sozialgesetzlichen Vorgaben zum Abschluss von Vereinbarungen über die Verzinsung als auch daraus, dass die Vorschriften des BGB über die Zinszahlungspflicht dispositive Regelungen darstellen.
2. Mit Einreichung der Klage beim Sozialgericht tritt die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit ein. Hieraus ergibt sich für ein Krankenhaus auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG vom 28.3.2006 - B 3 KR 6/05 R = BSGE 96, 133 = SozR 4-7610 § 291 Nr 3 ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in analoger Anwendung des § 291 BGB.
3. Die Regelungen der §§ 273, 274 BGB können in Vertragsverhältnissen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen analog angewendet werden (vgl BSG vom 28.5.2003 - B 3 KR 10/02 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 1 RdNr 20).
4. Hat eine Krankenkasse unter Hinzuziehung des Sozialmedizinischen Dienstes oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung alle ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und kommt das Krankenhaus einer konkreten Aufforderung der Krankenkasse zur weiteren Mitwirkung nicht nach, kommt ein dem Schuldnerverzug entgegen stehendes Leistungsverweigerungsrecht der Krankenkasse in Betracht.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird, soweit der Rechtsstreit nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. November 2004 teilweise aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4 % Zinsen aus 4.416,00 EUR für die Zeit vom 22. März 2004 bis einschließlich 13. Juni 2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
3. Der Streitwert wird für die Zeit bis einschließlich 13. Juni 2006 - insoweit für beide Rechtszüge - auf 4.416,00 EUR und für die Zeit danach auf 722,40 EUR festgesetzt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine noch offene Zinsforderung.
Der Kläger ist aufgrund § 5 i.V.m. § 14 des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung (LKGebNRG) vom 11. November 2005 (GVBl. LSA Nr. 60, 692) seit dem 1. Juli 2007 Rechtsnachfolger des Landkreises M. (im Folgenden nur: Kläger) und als solcher Träger des C. Klinikums M. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Die 1925 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte W. (im Folgenden: Versicherte) wurde in diesem Krankenhaus in der Zeit vom 16. Februar 2002 bis 27. März 2002 stationär behandelt. Die Einweisung der Versicherten erfolgte durch die niedergelassene Ärztin Dr. med. B unter Angabe der Diagnose: PMB in Regelstärke unter Falithrom; Abrasio erbeten. Auf Antrag des Klägers vom 18. Februar 2002, in dem als voraussichtlicher Entlassungstermin der 20. Februar 2002 bezeichnet war, erteilte die Beklagte mit Schreiben vom 7. März 2002 beginnend ab dem 16. Februar 2002 eine unbefristete Kostenzusage.
Mit Rechnung vom 10. April 2002, welche am 12. April 2002 bei der Beklagten (Krankenhauswerkstatt L.) einging, begehrte das Krankenhaus für die durchgeführte Krankenhausbehandlung die Zahlung eines Betrags von 8.523,40 EUR. Die Beklagte überwies hierauf einen Betrag von 2.929,80 EUR und teilte dem Krankenhaus mit Schreiben vom 7. Mai 2002 u.a. Folgendes mit: Zum vorgenannten Fall seien die FP 15.02 und zusätzlich nach Beendigung der Grenzverweildauer noch tagesgleiche Pflegesätze abgerechnet worden. Um die abgerechneten einzelnen Pflegetage berücksichtigen zu können, benötige die Beklagte eine detaillierte medizinische Begründung, aus der sich die Notwendigkeit der stationären Behandlung nach Ablauf der Grenzverweildauer ergebe. Diese Unterlagen mit entsprechenden, aussagekräftigen Auszügen aus den Krankenhausunterlagen bat sie unmittelbar an den Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft (SMD) zu übersenden.
Hierauf übermittelte das Krankenhaus am 3. Juni 2002 dem SMD - unter Beifügung eines OP-Berichts vom 14. März 2002 sowie histologischer Befunde vom 25. Februar 2002 und 20. März 2002 - einen Bericht der Assistenzärztin P, der u.a. Angaben wie folgt enthält: Diagnose: Corpus-Carcinom pT1b Nx Mx; Z. n. frakt. Abrasio; Risikopatientin (Z. n. cerebralem Insult, eingeschränkte Nierenleistung, Falithrompatientin); Therapie: Abdominale Hysterektomie mit beiden Adnexen. Die stationäre Aufnahme der Patientin sei am 16. Februar 2002 zur histologischen Abklärung und dri...