Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit. Altersgrenze. Vertrauensschutzregelung. Ausscheiden aus einem Betrieb der Montanindustrie aufgrund einer Maßnahme nach Art 56 § 2 Buchst b EGKSVtr

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherte, die nachweisen können, aus einem Betrieb der Montanindustrie aufgrund von Betriebs(teil)stilllegungen ausgeschieden zu sein, fallen unter die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 6, auch wenn sie nicht auf sog Ursprungslisten geführt worden sind.

 

Orientierungssatz

Der Anspruch auf Gewährung einer abschlagsfreien Altersrente nach § 237 Abs 4 S 1 Nr 2 SGB 6 ist nicht an eine Einzelvereinbarung des Betriebes mit dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer geknüpft oder daran, dass der Versicherte in der Liste der von der Schließungsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer aufgeführt ist (Entgegen LSG Chemnitz vom 19.1.2005 - L 6 KN 88/04).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.08.2009; Aktenzeichen B 13 R 107/08 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 22. August 2006 wird geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 14. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides 17. März 2006 verurteilt, bei der Berechnung der Altersrente des Klägers den Zugangsfaktor 0,991 zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung eines höheren Zugangsfaktors hat.

Der ... 1943 geborene Kläger absolvierte ab dem 1. September 1957 im Braunkohlenwerk G (später VEB Braunkohlenkombinat G) eine Ausbildung zum Betriebsschlosser und legte später auch die Meisterprüfung ab. Er war dort nach Weiterführung des Betriebes durch die BKW G zuletzt als Meister Instandhaltung in der mechanischen Werkstatt der Brikettfabrik B, Bereich G, bis zum 30. November 1992 beschäftigt. Die BKW G war ein der Montanmitbestimmung unterliegender Betrieb der Vereinigten Mitteldeutschen Braunkohlewerke AG (MIBRAG), deren Rechtsnachfolgerin die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH, im Folgenden: LMBV, ist.

Die Stillegung der mechanischen Werkstatt der BKW G begann nach Angaben der LMBV im Juli 1990. Nach deren Angaben ermächtigte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Bundesanstalt für Arbeit (BA) mit Schreiben (Schnellbrief) vom 17. August 1992 an deren Präsidenten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und dem Bundesminister für Finanzen, die Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer nach dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (BGBl. II 1952 S. 447, hier mit der Änderung vom 26. Januar 1960, BGBl. II S. 1578 ≪EGKS-V≫, auch als Montanunionsvertrag ≪MUV≫ bezeichnet) auf die von den endgültigen Stilllegungsmaßnahmen im Bereich der MIBRAG betroffenen Arbeitnehmer anzuwenden. Für die zur MIBRAG gehörenden Brikettfabriken wurden im Rahmen des Anpassungsfalles B 517/M 589 Beihilfen nach dem EGKS-V gewährt. Ausweislich einer von der Beklagten in Kopie überreichten Niederschrift über eine Besprechung im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) am 3. Dezember 1999 sei für die Anpassungsmaßnahme B 517/M 589 der MIBRAG Brikettfabriken vor dem 14. Februar 1996 beim BMAS bzw. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ein Antrag auf Gewährung von Mitteln nach Art. 56 § 2 Buchst. b EGKS-V ohne Beanstandungen an die Hohe Behörde der EGKS weitergeleitet worden. Die Schlussrechnung über die bewilligten Mittel fand nach Angaben der LMBV im Jahr 1998 statt. Der Kläger wurde unstreitig nicht auf einer sog. "Ursprungsliste" für die Gewährung von Beihilfen nach dem EGKS-V erfasst.

Die Kündigung des Klägers erfolgte ausweislich eines Schreibens der MIBRAG vom 6. Mai 1992 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse, ausgelöst durch gravierende strukturelle Veränderungen im mitteldeutschen Braunkohlebergbau. Nach Prüfung der Umstände sehe man keine andere Möglichkeit, als das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 1992 durch eine fristgemäße betriebsbedingte Kündigung zu beenden. Nach Abkehr aus dem Unternehmen erhalte der Kläger die zwischen dem Vorstand und dem Gesamtbetriebsrat vereinbarten Leistungen des Rahmensozialplans vom 25. November 1991, sofern die Bedingungen erfüllt seien. Nach Angaben des Klägers seien mit Wirkung zum Ende November 1992 circa 600 bis 650 Arbeitnehmern der BKW Geiseltal betriebsbedingt gekündigt worden. Es seien nur wenige Arbeitnehmer dort verblieben, die gleich in die Sanierungsgesellschaft gekommen seien. Er selbst sei nach einem Monat der Arbeitslosigkeit am 1. Januar 2003 in der Auffanggesellschaft der Mitteldeutschen Braunkohlesanierung aufgenommen worden.

In einem mit "Rentenauskunft - kein Rentenbescheid" überschriebenen Schreiben vom 22. Januar 2001 informierte ...

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