Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung eines Lohnsteuerklassenwechsels bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes

 

Orientierungssatz

1. Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ist ein Lohnsteuerklassenwechsel nach § 133 Abs. 3 S. 2 SGB 3 zu berücksichtigen, wenn er dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entspricht. Eine neu eingetragene Lohnsteuerklasse entspricht dem Verhältnis der Arbeitsentgelte beider Ehegatten zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels, wenn die neu gewählte Steuerklassenkombination zu einem geringeren gemeinsamen Lohnsteuerabzug führt bzw. ohne die Entgeltersatzleistung führen würde als die bisherige Kombination.

2. Dabei ist nicht die steuerrechtliche Zweckmäßigkeit maßgeblich. Vielmehr ist zu prüfen, wie hoch der gemeinsame Lohnsteuerabzug wäre, wenn beide Ehegatten das der Entgeltersatzleistung zugrunde liegende Entgelt zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels weiter erzielen würden. Nicht die steuerrechtlichen Vorschriften, sondern die des Arbeitsförderungsrechts sind maßgeblich, vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2002 - B 7 AL 46/01 R.

3. Hinsichtlich eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aufgrund einer unterbliebenen Beratung der Arbeitsagentur hat das BSG der Behörde eine das übliche Maß übersteigende Hinweis- und Beratungspflicht in dem Sinn auferlegt, als verheiratete Arbeitslose bereits bei Antragstellung deutlich und gesondert durch das Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels und die Notwendigkeit einer Beratung hinzuweisen sind, vgl. BSG, Urteil vom 01. April 2004 - B 7 AL 52/03 R.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung die Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse III im Rahmen der Bewilligung des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab dem 1. Juli 2008.

Die am ... 1973 geborene Klägerin stand ab dem 1. März 2003 in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis mit der TPG Treuhand Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft als Steuerberaterin. Sie war der Lohnsteuerklasse V zugeordnet und erzielte in der Zeit vom 1. März 2003 bis zum 29. Februar 2004 beitragspflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 45.126,58 EUR inklusive Einmalzahlungen. Seit dem 30. November 2003 befand sich die Klägerin im Mutterschutz. Am ... 2004 gebar sie ihr erstes Kind und befand sich sodann in Elternzeit. Das letzte Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsverhältnis erzielte die Klägerin für den Monat Februar 2004. Zum 1. November 2005 nahm sie eine selbständige Tätigkeit als Steuerberaterin mit einem Tätigkeitsumfang von 10 Stunden wöchentlich auf. Das Arbeitsverhältnis mit der TPG Treuhand Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft endete zum 14. Januar 2006 durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vom 30. November 2005. Ebenfalls zum 14. Januar 2006 endete die Elternzeit der Klägerin. Anschließend bezog die Klägerin in der Zeit vom 15. Januar 2006 bis zum 27. August 2006 von der Beklagten Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung eines fiktiven Bemessungsentgelts in Höhe von 82,60 EUR täglich (Bescheid vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2006). Ab dem 28. August 2006 befand sich die Klägerin im Mutterschutz. Am ... 2006 gebar sie ihr zweites Kind und befand sich sodann in Elternzeit. Die Elternzeit der Klägerin endete zum 19. Mai 2008.

Am 20. Mai 2008 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufig Arbeitslosengeld ab dem 20. Mai 2008 und sodann mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2008 endgültig in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 26,04 EUR unter Berücksichtigung eines fiktiven Bemessungsentgelts in Höhe von 82,60 EUR täglich und eines täglichen Leistungsentgelts in Höhe von 38,87 EUR.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 teilte die Klägerin der Beklagten einen Wechsel der Lohnsteuerklassen von der Lohnsteuerklasse V in die Lohnsteuerklasse III mit Wirkung zum 1. Juli 2008 mit. In der "Erklärung zum Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten" gab die Klägerin ein Bruttoarbeitsentgelt ihres Ehegatten in Höhe von monatlich 3.733,00 EUR an.

Mit Bescheid vom 1. August 2008 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung des Lohnsteuerklassenwechsels ab. Es verbleibe im Rahmen der Leistungsbewilligung bei der Zuordnung zur Lohnsteuerklasse V, da die neuen Lohnsteuerklassen nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen.

Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2008 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus: Es sei höchstrichterlich entschieden, dass die Steuerklassenwahl zulässig sei, wenn die Steuerbelastung durch den Lohnsteuerklassenwechsel gesunken sei. Ohne den zum 1. Juli 2008 vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsel wäre bei der Veranlagung zur Einkommensst...

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