Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Verweisungstätigkeit. Pförtner an der Nebenpforte
Leitsatz (amtlich)
Versicherte, deren Widerspruchsverfahren im März 2016 noch nicht abgeschlossen war, sind nicht mehr auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verweisbar. Nach neueren berufskundlichen Gutachten ist seit April 2016 nicht mehr von einer Arbeitsmarktgängigkeit auszugehen, da sich der Arbeitsmarkt so entwickelt hat, dass der Wachschutz in Unternehmen und Behörden überwiegend nicht mehr durch eigene Beschäftigte verrichtet wird, sondern auf Drittanbieter ausgelagert worden ist. Für die dort mit dem Wachschutz betrauten Beschäftigten ergibt sich aufgrund des flexiblen Einsatzes ein anderes Tätigkeitsprofil.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die 1960 geborene Klägerin beendete nach den Eintragungen in ihrem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung der DDR (SVA) 1976 ihre Schulausbildung mit der achten Klasse. Dem SVA ist der Beginn einer Berufsausbildung zum "Dreher" am 1. September 1976 (ohne Eintragung in dem Feld "Kennzahl nach Systematik") an der Betriebsschule des VEB Schraubenwerk T.-D. (in T.) zu entnehmen. Die Felder zum Ende der Berufsausbildung und zu "Abschluss ja/nein" sind nicht ausgefüllt. Dem SVA ist zu den Entgelten ein Zeitraum der Ausbildung bis zum "31.9.1976" zu entnehmen. Für die folgenden Monate sind im SVA Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 18. bis zum 21. Oktober, am 12. November und vom 29. November bis zum 1. Dezember 1976 vermerkt. Eine Berufsausbildung an der vorgenannten Berufsschule ist im Übrigen vom 1. Januar bis zum 31. März 1977 eingetragen. Vom 1. April 1977 bis zum 10. März 1978 fand nach dem SVA eine Berufsausbildung als Dreherlehrling bei dem VEB Schraubenwerk M. in der Betriebsstelle Z. statt. Im erstinstanzlichen Verfahren und im Berufungsverfahren ist hierzu jeweils auf den von der Klägerin unter dem 8. Juni 2011 bzw. 12. Juli 2016 unterzeichneten Vordrucken und gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen S. angegeben worden, die Lehre zum "Dreher" bzw. "Zerspaner" habe am 1. Januar 1978 geendet. Diesbezüglich wird auf Blatt 38 Bd. I sowie 198 und 320 Bd. II der Gerichtsakten verwiesen. Weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten sind dem SVA vom 10. bis zum 18. Januar, 14. bis zum 16. Februar, 15. bis zum 17. Juni, 25. Juli bis zum 5. August, 20. bis zum 27. September und vom 24. November bis zum 23. Dezember 1977 zu entnehmen. Die Klägerin gab im Rahmen der Rentenantragstellung an, erfolgreich eine Prüfung bestanden zu haben. Das Facharbeiterzeugnis sei nicht mehr vorhanden. Auf dem von ihr ausgefüllten Fragebogen hat sie gegenüber dem Sozialgericht angegeben, eine Vollzeitausbildung zum Dreher mit dem Abschluss als "Teil-Facharbeiter" absolviert zu haben. Nach ihren Angaben im Berufungsverfahren soll ihr inzwischen geschiedener Ehemann den Teilfacharbeiterbrief (nicht aber den SVA und ihre Arbeitsverträge) vernichtet haben.
Ab dem 3. Mai 1978 war die Klägerin nach den Eintragungen im SVA als "Rev-Dreher" (Revolverdreher: Dreher an rotierenden Maschinen) bei dem VEB M. Armaturen Werke (M.) beschäftigt. Ab dem 1. Dezember 1988 wurde der Arbeitsvertrag für die Zeit bis zum 24. März 1990 dahingehend geändert, dass die Klägerin die Arbeitsaufgabe "DRT-Dreher" in Normalschicht schuldete, wobei die Abkürzung "DRT" eine bestimmte Drehmaschine bezeichnet. Die Vergütung erfolgte nach der Lohngruppe "4 + LP" (LP = Lohnprämie). Von Juli 1990 bis Januar 1991 sind Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung/Schwangerschaft/Mutterschutz, von Februar 1991 bis August 1992 Kindererziehungszeiten im Versicherungsverlauf festgestellt. Die M.er Armaturenwerke M. AG übernahm das Arbeitsverhältnis mit einer Einstellung der Klägerin ab dem 1. September 1990 als "DRT-Dreher im GB - E" mit einer Entlohnung nach der Tariflohngruppe IV mit einem Stundenlohn "LG IV + LP" unter Hinweis auf den Betriebseintritt am 3. Mai 1978. Nachfolgend verkaufte die Treuhand das Unternehmen an die Deutsche B. AG (seit 2002 in Insolvenz). Ab dem 20. August 1991 wurde die Klägerin in die Lohngruppe VI nach dem Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in der Metall- und Elektroindustrie des Landes Sachsen-Anhalt (im Folgenden: Manteltarifvertrag) eingruppiert. Nach § 13 des Vertrages blieben die bisher erworbenen Rechte seit dem 3. Mai 1978 aus dem Arbeitsvertrag mit dem VEB M. erhalten. Pflichtbeitragszeiten für eine Beschäftigung wurden nach dem 9. Juli 1990 noch vom 20. August 1991 bis zum 31. Januar 1992 festgestellt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Januar 1992 nach Angaben der Klägerin auf Grund einer Kündigung durch die später von der übernehmenden Gesellschaft abgewickelte...