Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an die endgültige Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch gem § 40 Abs 1 Nr 1a SGB 2 aF iVm § 328 Abs 3 SGB 3, mit der eine zuvor verfügte vorläufige Leistungsbewilligung ersetzt werden soll, muss so klar und eindeutig sein, dass für den Leistungsberechtigten - wie auch für einen unbeteiligten Dritten - auf den ersten Blick erkennbar ist, dass nunmehr endgültig und mit Bindungswirkung für die Beteiligten der Leistungsanspruch festgestellt wird.

2. Ein "Änderungsbescheid", dem eine abschließende und verbindliche Entscheidung über den Leistungsanspruch nicht zu entnehmen ist, genügt dem nicht.

3. Solange der endgültige Leistungsanspruch nicht festgestellt ist, besteht keine Grundlage für eine Erstattungsforderung gem § 328 Abs 3 S 2 SGB 3.

 

Normenkette

SGB III § 328 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 2; SGB II § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a Fassung: 2005-08-14; BGB § 133; SGB X §§ 43, 48; SGG § 144 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2010 und der Änderungsbescheid des Beklagten vom 7. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2009 werden aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den SGB II-Leistungsanspruch des Klägers für den Zeitraum von Mai bis September 2008 endgültig zu entscheiden.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für Klage- und Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) begehrt von dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) die Gewährung von höheren Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Mai bis September 2008.

Der am ... 1971 geborene alleinstehende Kläger bewohnte eine 45 m² große Mietwohnung in D., für die im streitigen Zeitraum eine Grundmiete von 230,00 EUR zuzüglich einer Vorauszahlung auf die Betriebs-, Heiz- und Warmwasserkosten von 80,00 EUR zu zahlen war. Ab Juni 2008 minderte der Kläger die Miete aufgrund einer Geruchsbelästigung und zahlte nur noch insgesamt 287,00 EUR an den Vermieter. Im Zeitraum von August 2007 bis Ende April 2008 war der Kläger als Immobilienmakler selbständig tätig und erhielt vom Beklagten Einstiegsgeld. Nach Auslaufen der Förderung meldete der Kläger das Gewerbe wegen mangelndem wirtschaftlichen Erfolgs ab.

Auf den Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2008 und Änderungsbescheid vom 18. Mai 2008 unter Bezugnahme auf § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) vorläufige Leistungen in Höhe von 629,10 EUR für April, 650,70 EUR für Mai und Juni sowie 654,70 EUR für Juli bis September 2008. Zur Begründung führte er aus, das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum könne nur geschätzt werden. Eine abschließende Entscheidung werde nach Vorlage der abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) sowie weiterer Belege erfolgen. Die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen seien nach vollständiger Klärung auf den Leistungsanspruch anzurechnen. Soweit sich abschließend ein Leistungsanspruch in geringerer Höhe ergebe, seien die Leistungen gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III zu erstatten. Bei der vorläufigen Leistungsbewilligung berücksichtigte der Beklagte an Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) die Gesamtmiete abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung von insgesamt 303,70 EUR. Zusammen mit der Regelleistung von 347,00 EUR (bzw. 351,00 EUR ab Juli 2008) ergab sich ein Bedarf von 650,70 EUR, auf den er - nur für April 2008 - Einkommen von 21,60 EUR anrechnete.

Im Juni 2008 zeigte der Kläger die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung ab 1. Mai 2008 bei der Firma B. in M. im Umfang von 14,5 Stunden wöchentlich und einem Entgelt von 300,00 EUR an. Er legte eine Einkommensbescheinigung für den Monat Mai 2008 vor. Danach betrug das im Beschäftigungsmonat fällige Entgelt gleichbleibend 300 EUR. In der Anlage EK führte der Kläger aus, die an drei Tagen wöchentlich zurückgelegte Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstelle in M. betrage 64 km. Weiterhin belegte er Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung von 13,86 EUR/Monat und für eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von 20,81 EUR/Monat.

Daraufhin erließ der Beklagte einen "Änderungsbescheid" vom 7. Juli 2008, mit dem er Leistungen für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. September 2008 in Höhe von 490,70 EUR in den Monaten Mai und Juni 2008 und 494,70 EUR in den Monaten Juli bis September 2008 bewilligte. Auf den Bedarf von 650,74 EUR bzw. 654,70 EUR (ab Juli 2008) rechnete er ein bereinigtes Erwerbseinkommen von 160,00 EUR an. Im Bescheid gab er an, es sei folgende Änderung eingetreten:

"Sie haben ab 01.05.2008...

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