Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung bei Verschweigen eines nach Antragstellung eingetretenen Erbfalls

 

Orientierungssatz

1. Durch einen während des SGB 2-Leistungsbezugs eingetretenen Erbfall ererbte Werte, die dem Leistungsberechtigten nach dessen Antragstellung zugewachsen sind, stellen Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 SGB 2 dar. Dieses ist mit dessen tatsächlichem Zufluss zu berücksichtigen. Der zugeflossene Betrag ist als einmalige Einnahme i. S. von § 11 Abs. 3 SGB 2 zu berücksichtigen.

2. Nach § 2 Abs. 3 S. 3 Alg2-V sind einmalige Einnahmen auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

3. Verschweigt der SGB 2-Leistungsbezieher das aus der Erbschaft zugeflossene Einkommen, so führt dies zur anfänglichen Rechtswidrigkeit des ergangenen Bewilligungsbescheides. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen hat nach §§ 40 Abs. 1 SGB 2, 45 SGB 10 und 50 SGB 10 die Erstattung der bewilligten Grundsicherungsleistungen zur Folge.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Weiteren: Klägerin) wendet sich gegen die Aufhebung von Bewilligungen und die Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Dezember 2009 bis März 2010.

Die 1959 geborene alleinstehende Klägerin bezog von dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) seit 2005 SGB II-Leistungen. Im Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Juli 2009 unterschrieb sie folgende Erklärung: "Ich versichere, dass die Angaben zutreffend sind. Künftige Änderungen (insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie des Umfangs der Erwerbstätigkeit werde ich unaufgefordert und unverzüglich mitteilen." Mit Bescheid vom 27. Mai 2009 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2009 monatliche Leistungen in Höhe von 180,16 EUR. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte er das von der Klägerin aus einer Arbeitsgelegenheit (Entgeltvariante) erzielte Nettoeinkommen von 557,51 EUR monatlich

Am 28. September 2009 verstarb die verwitwete Mutter der Klägerin. Die Klägerin war Alleinerbin. Sie teilte dem Beklagten den Erbfall nicht mit. Im Weiterbewilligungsantrag vom 16. November 2009 gab sie an, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten sich nicht geändert. Mit Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2009 bewilligte der Beklagte für Dezember 2009 Leistungen in Höhe von 203,00 EUR. Mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag und Änderungsbescheid vom 19. Januar 2010 gewährte er für den Monat Januar 2010 Leistungen in Höhe von 311,90 EUR und für die Monate Februar bis Juni in Höhe von 545,71 EUR monatlich.

Am 1. Februar 2010 erfuhr der Beklagte durch eine anonyme Anzeige von der Erbschaft. Auf Nachfrage führte die Klägerin unter dem 12. Februar 2010 aus, sie sei Alleinerbin. Da sie den Wert der Hinterlassenschaft bereits gegenüber dem Nachlassgericht habe nachweisen müssen, habe sie keine Veranlassung gesehen, das Erbe auch dem Beklagten mitzuteilen. Außerdem dürfe sie laut Gesetz pro Lebensjahr 750 EUR erben. Für sie ergebe sich ein Gesamtbetrag von 37.500 EUR, den der Wert des Nachlasses nicht erreiche. Sie verwies auf eine in Kopie beigefügte Kontenübersicht ihrer Mutter mit einem Habensaldo von 13.088,96 EUR am 24. November 2009, der sich aus Guthaben auf dem Girokonto von 12.566 EUR, aus einem Sparbuch und einer weiteren Geldanlage verteilte. Mit dem Gesamtbetrag habe sie alle mit dem Sterbefall verbundenen Kosten begleichen müssen. Bislang habe sie insgesamt 10.629 EUR ausgegeben für:

Grabstelle kaufen - 20 Jahre 2.200 EUR,

Beerdigungskosten 3.150 EUR,

Grabstein mit Schrift 1.300 EUR,

Miete für drei Monate 1.000 EUR,

Todesanzeige 97 EUR,

Abschlussrechnung Strom und Gas 82 EUR,

Telefonrechnung 86 EUR,

Ausstellung Sterbeurkunden 24 EUR,

Wohnungsberäumung und Renovierungsarbeiten 3.860 EUR.

Ihr verbleibe aus der Kontoschließung noch ein Betrag von 1.937 EUR, den sie in den nächsten Jahren für die Grabpflege aufwenden wolle. Die Klägerin hat die für das Amtsgericht Bernburg gefertigte Aufstellung zum Wert des Nachlasses vorgelegt, in der sie das Guthaben bei Banken auf 13.000 EUR und die Nachlassverbindlichkeiten mit insgesamt 7.200 EUR bezifferte. Sie belegte Aufwendungen über 4.759,37 EUR:

Kostenrechnung Amtsgericht vom 8. März 2009 30,00 EUR

Mietzahlung für November und Dezember 2009

(am 17. Dezember 2009) 689,40 EUR

Rechnung Steinmetz vom 15. Oktober 2009 495,04 EUR

Gebührenbescheid der Stadt B.

(Urnenwahlgrabstätte) vom 20. Oktober 2009 375,25 EUR

Rechnung Bestattungsinstitut vom 5. Oktober 2009 1.769,68 EUR

Rechnung Beräumung Wohnung vom 16. Dezember 2009 1.400,00 EUR

Weiter legte sie den Auftrag zur Kontoauflösung vom 26. November 2009 mit einem Auszahlungsbetrag von ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge