Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Klage auf höhere vorläufige Leistungen. Statthaftigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Berücksichtigungsfähigkeit einer Nutzungsentschädigung als Unterkunftskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der von dem in einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Eigenheim verbliebenen Ehegatten nach § 745 Abs 2 BGB oder § 1361b Abs 3 S 2 BGB an den ausgezogenen getrennt lebenden Ehegatten zu zahlenden Nutzungsentschädigung handelt es sich nicht um Aufwendungen für die Unterkunft iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
2. Im Streit um eine höhere vorläufige KdU-Leistungsgewährung besteht in Ansehung eines in der Vergangenheit liegenden Bewilligungszeitraums kein Bedürfnis, die erfolgte vorläufige Leistungsgewährung für einzelne Monate zu korrigieren, wenn im streitigen Bewilligungszeitraum insgesamt bedarfsdeckende KdU-Leistungen gewährt wurden.
Orientierungssatz
1. Statthafte Klageart für das Begehren auf Gewährung höherer vorläufiger Leistungen ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistungen bei der vorläufigen Leistungsbewilligung ein - wenn auch begrenzter - Ermessensspielraum verbleibt (vgl BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R = BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21).
2. Auch bei einer vorläufigen Leistungsbewilligung nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB 2 aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB 3 wegen schwankenden Erwerbseinkommens hat der Leistungsberechtigte grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt.
Normenkette
SGB II § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a; SGB III § 328 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3; SGB I § 42 Abs. 2; BGB § 1361b Abs. 3 S. 2, § 745 Abs. 2
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 19.08.2015; Aktenzeichen B 14 AS 14/14 R) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung als Teil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006.
Der am ... 1959 geborene Kläger stellte erstmals am 19. Januar 2006 bei der ARGE SGB II Landkreis S. (im Folgenden: ARGE) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die ARGE war bis Ende 2010 die für den Kläger zuständige, für die Träger der Grundsicherungsleistungen handelnde Behörde. Ab dem 1. Januar 2011 ist dies der Beklagte als Rechtsnachfolger der ARGE.
Der Kläger gab im Verwaltungsverfahren an, selbständig zu sein und ein Handelsunternehmen ("H. J. P.") zu betreiben, aber derzeit keinen Gewinn zu erzielen. Auf einer vom Kläger vorgelegten, von ihm erstellten vorläufigen Gewinnermittlung für 2005 war für dieses Jahr ein Verlust von 6.452,11 EUR ausgewiesen. Der Kläger gab weiter an, von seiner Ehefrau getrennt und alleine in dem ihm und seiner Ehefrau gemeinsam gehörenden Haus mit einer Grundstücksgröße von 820,00 qm, einer Gesamtfläche des Hauses von 135 qm und einer Wohnfläche von 106 qm bei fünf Räumen zu leben. Das Haus wurde mit einer Ölheizung beheizt, wobei die Warmwasseraufbereitung separat mit einem Elektro-Durchlauferhitzer erfolgte.
Nach den von dem Kläger bei der Antragstellung in Kopie eingereichten Unterlagen fielen an Kosten für das Haus im Jahre 2006 an: Abfallgebühren in Höhe von 39,01 EUR am 15. Februar 2006 und in Höhe von jeweils 33,43 EUR am 15. Mai, 15. August und 15. November 2006; für Trinkwasser 52,72 EUR am 4. März 2006 und Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 42,00 EUR am 15. April, 15. Juni, 15. Oktober und 15. Dezember 2006; für Abwasser 46,77 EUR am 4. März 2006 und Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 34,00 EUR am 15. April, 15. Juni, 15. Oktober und 15. Dezember 2006; Grundsteuer B in Höhe von jeweils 23,06 EUR am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und in Höhe von 23,07 EUR am 15. November 2006 sowie die Prämie für eine Wohngebäudeversicherung in Höhe von 165,29 EUR am 1. Januar 2006. Weiter waren nach den Angaben des Klägers für ein vom ihm und seiner Ehefrau zur Finanzierung des Erwerbs des ihnen gehörenden Hausgrundstücks aufgenommenes Darlehen an die Kreissparkasse S. im Jahre 2006 Zinsen jeweils in Höhe von 72,54 EUR am 30. März, 30. Juni, 30. September und 30. Dezember zu zahlen. Diese Zahlungen leistete nach seinen Angaben der Kläger.
Die ARGE bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 7. April 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 229,81 EUR für die Zeit vom 19. bis zum 31. Januar 2006 und in Höhe von jeweils 530,35 EUR monatlich f...