Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Einnahmen aus der Beteiligung an Straftaten. Belastung durch eine Rückzahlungsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Als Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 SGB II sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Dabei kommt es auf die Herkunft oder die Rechtsgrundlage der Einnahmen nicht an. Nicht als Einnahmen sind hingegen Einkünfte anzusehen, die von vornherein mit einer (wirksamen) Rückzahlungspflicht verbunden sind. Danach sind Einnahmen, die aus einer Beteiligung an Straftaten stammen, als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
2. Es gibt in der Rechtsordnung keinen allgemein gültigen Grundsatz, nach dem an den Erwerb rechtswidriger Einnahmen nicht angeknüpft und deren Einsatz folglich nicht verlangt werden kann. Daher sind auch durch Straftaten erlangte Geldbeträge bei Zufluss als Einkommen zu berücksichtigen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Einnahmen faktisch nicht verwertet werden können, die Einnahme also für den Empfänger wertlos ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn bei Zufluss eine konkrete und gleichwertige Gegenforderung besteht, was beispielsweise bei der unmittelbaren Weiterleitung von Geld aus Straftaten angenommen werden kann. Verbleibt aber die aus Straftaten stammende Einnahme beim Empfänger, ist sie als Einkommen anzurechnen.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 21. Juli 2015 wird zum Teil aufgehoben. Die insgesamt 15 Bescheide des Beklagten vom 16. Juni 2011, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011, werden aufgehoben, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen jeweils über folgende Beträge hinaus aufgehoben und zurückgefordert hat:
- August 2006: 191,03 EUR
- September 2006: 186,03 EUR
- April 2007: 240,44 EUR
- Mai 2007: 414,02 EUR
- Juli 2007: 495,03 EUR
- Februar 2008: 416,81 EUR
- Juni 2008: 318,23 EUR
Die Bescheide des Beklagten vom 16. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 werden darüber hinaus aufgehoben, soweit der Beklagte die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Monate April und Mai 2007, März 2008 sowie März und Juni 2010 geltend macht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 13 Prozent ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die (teilweise) Aufhebung bzw. Rücknahme sowie Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Zeitraum vom 1. April 2006 bis 30. September 2010. In dieser Zeit erhielt die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) Überweisungen der Stadtkasse/Kreiskasse G., die jeweils ihr Bruder veranlasste. Dieser war seinerzeit im Sozialamt der Stadt bzw. des Landratsamtes als Sachgebietsleiter tätig. Diese Einnahmen teilte sie dem Beklagten und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) nicht mit. Dieser erhielt erstmals aufgrund eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche gegen die Klägerin hiervon Kenntnis. Daraufhin hob er nach weiteren Ermittlungen die Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum (teilweise) auf und forderte die überzahlten Leistungen zurück, weil diese Einnahmen grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen seien.
Im Übrigen ist zum Sachverhalt wie folgt auszuführen:
Die am ... 1970 geborene Klägerin beantragte für sich und ihren am ... 1992 geborenen Sohn erstmals am 4. Oktober 2004 Grundsicherungsleistungen. In diesem Zusammenhang gab sie an, einer geringfügigen Beschäftigung bei einer Gebäudereinigungsfirma nachzugehen und hieraus ein Einkommen von 116 EUR monatlich zu erzielen, das im Folgemonat gezahlt werde. Außerdem erhalte sie Kindergeld von 154 EUR bzw. ihr Sohn Unterhalt von seinem Vater von 50 EUR monatlich. Mit Ausnahme ihres Girokontos verfüge sie über kein Vermögen. In dem Grundantrag wurden zudem umfangreiche Angaben zu den Einnahmen der Klägerin erfragt. In der Folge bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn - auch auf die Fortzahlungsanträge hin - Grundsicherungsleistungen, wobei er das von der Klägerin angegebene Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigte. Als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) berücksichtigte er zumindest ab Oktober 2005 nicht mehr die tatsächlichen KdUH.
Zeitraum Februar bis Juni 2006:
Im Dezember 2005 beantragte die Klägerin die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen und teilte in diesem Zusammenhang mit, dass sie seit August 2005 eine Warmmiete (431,69 EUR) zu zahlen habe. Im Übrigen seien keine Änderungen eingetreten. Zuletzt erließ der Beklagte Änderungsbescheide vom 29. Mai 2006 für Februar bis Juni 2006, bzw. vom 14. September 2006 für April 2006.
Zeitraum Juli bis Dezember 2006:
Am 15. Mai 2006 stellte die Klägerin einen weiteren Fortzahlungsantrag und tei...