Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Arbeitsentgelt. Glaubhaftmachung des Zuflusses von Jahresendprämien in einer konkreten Höhe. Eintragungen im SED-Parteibuch. Schätzung der Höhe einer Jahresendprämie
Leitsatz (amtlich)
Zur Glaubhaftmachung des Zuflusses von Jahresendprämien in einer konkreten Höhe genügt der Verweis auf die Eintragungen im SED-Parteibuch nicht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des LSG Chemnitz (entgegen Urteil vom 4.2.2014 - L 5 RS 462/13), das davon ausgeht, bei einer fehlenden Glaubhaftmachung der konkreten Höhe der Jahresendprämie in den einzelnen Jahren sei eine Schätzung iSv § 287 Abs 1 ZPO möglich.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz hinsichtlich der Geeignetheit von Eintragungen im Mitgliedsbuch der SED als Mittel der Glaubhaftmachung für den Zufluss von zusätzlichem Arbeitsentgelt vgl LSG Halle vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13; so auch LSG Chemnitz vom 21.8.2012 - L 5 RS 572/11.
2. Eine Schätzung von Entgelten ist weder im AAÜG noch im SGB 6 als Beweismittel zugelassen.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 6; ZPO § 287 Abs. 1; EVertr Art. 19 S. 2; EVertr Art. 19 S. 3; SGB VI § 256a Abs. 2, § 64; SGB IV § 14 Abs. 1; SGB X §§ 44, 23 Abs. 1 S. 2; SGG § 128 Abs. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Februar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) zusätzliche Entgelte in Form von Jahresendprämien festzustellen sind.
Der am ... 1942 geborene Kläger erwarb ausweislich der Ingenieururkunde der Bergingenieurschule "Ernst-Thälmann" S. vom 19. Juli 1963 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur für Bergbautechnik-Tagebau zu führen. Vom 1. August 1963 bis zum 30. Juni 1990 war er als Ingenieur beim VEB Braunkohlenwerk "Erich Weinert" D. beschäftigt. In der Zeit vom 1. Juni 1982 bis zum 30. Juni 1990 entrichtete er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung.
Mit Feststellungsbescheid vom 17. November 2000 erkannte die Beklagte nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 1. August 1963 bis zum 30. Juni 1990 an.
Am 27. April 2012 beantragte der Kläger unter Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juli (gemeint: August) 2007 (B 4 RS 4/06 R) die Berücksichtigung zusätzlicher Verdienste. Hinsichtlich der geltend gemachten Jahresendprämien erstellte er für die Zeit von 1971 bis 1989 eine tabellarische Aufstellung auf der Grundlage seiner im SED-Parteibuch ausgewiesenen Mitgliedsbeiträge. Die Beklagte holte von dem Rechtsnachfolger des VEB Braunkohlenwerk "Erich Weinert" D., der Mibrag, eine Entgeltauskunft vom 23. Mai 2012 ein. Diese teilte darin eine fiktiv ermittelte Höhe der zusätzlichen Belohnung für Bergarbeiter (kurz: Bergmannsprämie) mit. Diese Verdienste stellte die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 5. Juni 2012 ab 1. Januar 1964 als zusätzliche Entgelte fest und hob den Bescheid vom 17. November 2000 insoweit auf. Die geltend gemachte Jahresendprämie könne aber nicht berücksichtigt werden, da diese nicht habe nachgewiesen werden können. Die tatsächliche Gewährung und die Höhe der Jahresendprämie seien von der Erfüllung vielfältiger Bedingungen abhängig gewesen. Wegen der nicht zweifelsfrei nachvollziehbaren Erfüllung dieser Bedingungen könne eine Berechnung der Jahresendprämie nicht erfolgen.
Dagegen legte der Kläger am 12. Juni 2012 Widerspruch ein und begehrte die Feststellung von Jahresendprämien auf der Grundlage seines SED-Parteibuches, welches er beifügte. Hierzu verwies er auf seine bereits eingereichte tabellarische Aufstellung. Nach seiner Meinung besitze das Parteidokument weit mehr Beweiskraft als die handgeschriebenen "Papierstreifen", die ohne jegliche Unterschrift bei der Zahlung der Jahresendprämie ausgegeben worden seien. Deshalb habe sie auch kaum jemand aufgehoben. Gerade diese seien aber, wie ihm bekannt sei, von der Beklagten schon anerkannt worden. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 zurück und führte zur Begründung aus, sowohl der Anspruch als auch die Höhe der Jahresendprämie sei von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Durch das vorgelegte Mitgliedsbuch seien der Bezug und die Höhe der Einmalzahlung nicht nachgewiesen, weil die Angaben nicht erkennen ließen, dass der höhere Beitrag ausschließlich auf dem Bezug einer Jahresendprämie beruhe. Parteibucheintragungen könnten nur dann hilfsweise zugrunde gelegt werden, wenn der Beitrag mit dem Kürzel "JEP" gekennzeichnet worden sei.
Dagegen hat der Kläger am 7. September 2012 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Di...