Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung
Orientierungssatz
1. Der Versicherte hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig sein kann. Hierbei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Der Rentenversicherungsträger ist auch bei Vorliegen eines noch sechsstündigen Leistungsvermögens verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen, wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, vgl. BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/96.
3. Der Arbeitsmarkt gilt u. a. als verschlossen, wenn einem Versicherten die sog. Wegefähigkeit fehlt. Ein sog. Katalogfall liegt nicht vor, wenn ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m. mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann, vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90.
4. Benötigt der Versicherte neben den betriebsüblichen Pausen weitere Pausen, so muss das Gericht prüfen, ob der Versicherte unter solchen Bedingungen eingestellt werden würde. Arbeitsunterbrechungen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden gelten im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Voraussetzungen der Bewilligung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1966 geborene Klägerin durchlief nach dem Abschluss der 10. Schulklasse vom 1. September 1983 bis zum 15. Juli 1985 erfolgreich eine Lehre zum Facharbeiter für Anlagentechnik. Im Anschluss daran war sie bis zum 17. Oktober 1989 im erlernten Beruf, vom 18. Oktober 1989 bis 14. April 1994 als Stationshilfe und zuletzt vom 15. April 1994 bis zum 31. März 1996 als Mitarbeiterin der Wäscherei eines Senioren- und Pflegezentrums versicherungspflichtig tätig. Ab dem 1. April 1996 war sie arbeitslos. Später bezog sie Arbeitslosengeld II.
Sie verfügt über einen Führerschein und einen Pkw.
Die Klägerin hatte am 8. Februar 1996 bei der Beklagten, damals noch Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, die Bewilligung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit beantragt unter Hinweis auf eine Wirbelsäulenverletzung, die sie sich bei einem Sturz am 27. Februar 1993 aus einem Fenster ihrer im dritten Stockwerk gelegenen Mietwohnung zugezogen hatte. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 19. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. April 1998 den Rentenantrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage (S 1 RJ 143/98) hatte das Sozialgericht Dessau mit rechtskräftigem Urteil vom 12. August 1999 abgewiesen.
Am 27. April 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte geltend, wegen eines akuten Rückenleidens, eines Zustands nach Fraktur und Gebärmutterentfernung, Allergien, Schlaf- und Essstörungen, Depressionen und Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk rechts keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können.
Die Beklagte zog zunächst Unterlagen von dem Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt aus dem Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit bei, u.a. das fachärztlichdermatologische Gutachten des Ärztlichen Direktors der Dermatologischen Klinik und Poliklinik der Medizinischen Hochschule H. Prof. Dr. K. vom 25. März 1995, die nach Aktenlage erstellte ärztliche Stellungnahme des Ärztlichen Direktors des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizinische Allergiediagnostik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. S. vom 12. März 1996 sowie den Widerspruchsbescheid des Gemeinde-Unfallversicherungsverband Sachsen-Anhalt vom 25. November 1996, mit welchem eine allergische Kontaktdermatitis als Berufskrankheit anerkannt, ein Anspruch der Klägerin auf Rente mangels einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch abgelehnt worden war.
Ferner lagen der Beklagten die medizinischen Unterlagen aus dem ersten Rentenverfahren vor. In dem Entlassungsbericht des Eisenmoorbades Bad Schmiedeberg vom 26. Juni 1995 wurden nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 11. Mai bis zum 8. Juni 1995 die Diagnose eines thorakolumbalen Schmerzsyndroms (Respondylodese L 1 bis L 3 am 24. April 1995 nach Fraktur der Lendenwirbelkörper (LWK) 2 3/93) berücksichtigt und der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Bücken und Heben und Tragen schwerer Lasten be...