Entscheidungsstichwort (Thema)
landwirtschaftliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. Waldbesitzer. forstwirtschaftliche Nutzung. widerlegliche Vermutung
Orientierungssatz
Findet keine waldwirtschaftliche Nutzung statt, reicht es auch nicht aus, für die Begründung der Eigenschaft eines forstwirtschaftlichen Unternehmers allein auf die bestehenden öffentlich-rechtlichen Pflichten zur Pflege und Bewirtschaftung des Waldes abzustellen. Die aus der Sozialbindung des Eigentums erwachsenden Pflichten des Waldeigentümers zwingen diesen nicht, den Wald zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen zu nutzen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers, Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung zu entrichten.
Der Kläger ist Eigentümer einer Waldfläche, die im Burgenlandkreis, Gemeinde W, Gemarkung W, Flur 3, Flurstück 95/3 liegt. Daneben stehen im Eigentum des Klägers noch weitere Flächen ohne Waldbestand, die nicht bewirtschaftet werden. Das Eigentum an den Flächen hatte der Kläger im Jahre 1991 durch Rückübertragung erlangt. Bis zur Rückübertragung lagen die Nutzungsrechte für die Waldflächen bei der Staatlichen Forstbehörde Ziegelroda.
Mit Bescheid vom 9. Januar 1995 zog die Beklagte den Kläger für die Jahre 1992 und 1993 als land- und forstwirtschaftlicher Unternehmer zur Beitragszahlung in der gesetzlichen Unfallversicherung heran. Dabei wurde eine Waldfläche von 1,02 ha zugrundegelegt. Gegen den Beitragsbescheid erhob der Kläger am 17. Januar 1995 Widerspruch und führte unter anderem aus, der Waldbestand sei durch Anflug auf ehemaligem Ödlandgebiet entstanden und lasse keine Bewirtschaftung mit Erwartung auf Gewinn zu.
Mit einem Beitragsbescheid vom 20. Februar 1995 wurde der Kläger auch für das Jahr 1994 zur Beitragszahlung herangezogen.
Im Widerspruchsverfahren hob die Beklagte die Beitragsbescheide insoweit auf, als die Beitragspflicht des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer betroffen war. Die Beitragsbescheide wurden durch einen berichtigenden Bescheid vom 27. Februar 1992 ersetzt. Für das Jahr 1992 wurde der Kläger zur Zahlung eines Beitrages von 62,72 DM, für das Jahr 1993 zur Beitragszahlung in Höhe von 63,18 DM und für das Jahr 1994 in Höhe von 63,64 DM herangezogen. Den Widerspruch des Klägers gegen die Heranziehung zur Beitragszahlung als forstwirtschaftlicher Unternehmer wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1995 zurück.
Der Kläger hat am 23. Juni 1995 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 30. Januar 1996 stattgegeben und die angefochtenen Beitragsbescheide in der Fassung des Beitragsbescheides vom 27. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 1995 aufgehoben. In den Gründen wird im wesentlichen ausgeführt: Der bloße Besitz eines Grundstückes, auf dem Waldbäume wüchsen, reiche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Beitragspflicht als forstwirtschaftlicher Unternehmer nicht aus. Eine konkrete forstwirtschaftliche Tätigkeit habe die Beklagte, bei der nach den allgemeinen Regeln dafür die Beweislast liege, nicht bewiesen. Es sei unangemessen, vom Kläger zu fordern, daß er Beweis für die negative Tatsache erbringen müsse, daß keine forstwirtschaftlichen Tätigkeiten angefallen seien. Es bestehe auch keine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer forstwirtschaftlichen Tätigkeit. Eine solche ergebe sich auch nicht aus dem Landeswaldgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Es könne offenbleiben, inwieweit nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund des Vorhandenseins einer Waldfläche das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens zu vermuten sei. Eine solche Vermutung sei nämlich im konkreten Fall widerlegt. Eine Auslegung des § 776 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach auch Flächen, die nur brachlägen, wie Flächen zu behandeln seien, die entsprechend den Pflichten aus den Waldgesetzen bewirtschaftet würden, sei mit Wortlaut und Sinn der Norm nicht in Einklang zu bringen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 8. März 1996 zugestellte Urteil am 22. März 1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Besonderheit der Forstwirtschaft bringe es mit sich, daß zeitweise, teilweise sogar über Jahre keine forstwirtschaftlichen Arbeiten anfielen. Dadurch verliere das betroffene Grundstück nicht die Eigenschaft eines forstwirtschaftlichen Unternehmens. Nach dem Landeswaldgesetz des Landes Sachsen-Anhalt bestehe für den Waldbesitzer die Verpflichtung, den Wald im Rahmen seiner Zweckbestimmung nach anerkannten forstwirtschaftlichen Grundsätzen ordnungsgemäß, insbesondere nachhaltig, pfleglich und sachkundig zu bewirtschaften. Diese Verpflichtung treffe hier den Kläger. Das Bundessozialgericht gehe in seinem Urteil vom 3. Mai 1984 -- 11 RK 1/83 -- ebenso wie das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in einem Urteil vom 23. November 1989 -- S 10 U 45/88 -- davon aus, daß bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch ...