Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. neue Behandlungsmethode. Ohrakupunktur

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine vom Versicherten selbst beschaffte Leistung (hier: Ohrakupunktur), wenn es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, die nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden darf. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Leistung sei gleichwohl zweckmäßig und in ihrem konkreten Fall wirksam gewesen.

 

Tatbestand

Umstritten sind die Kosten für eine im Zeitraum von Juli bis Oktober 1997 durchgeführte Ohrakupunkturbehandlung in Höhe von 300 DM (zehn Behandlungen zu je 30 DM).

Die 1933 geborene und bei der Beklagten bis 31. Dezember 1997 versicherte Klägerin beantragte im August 1996 die Übernahme der Kosten für zehn Ohrakupunkturbehandlungen, die ihr am 20. August 1996 von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. wegen einer Omarthrose der rechten Schulter verordnet worden waren. Die Behandlungen wurden 1997 am 30. Juli, 6., 13., 20. und 27. August, 3., 10., 17. und 25. September sowie am 2. Oktober durchgeführt. Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) hielt in einer Stellungnahme vom 3. September 1996 die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungspflicht für nicht gegeben, da Dipl.-Med. H. keine Angaben darüber gemacht habe, ob schulmedizinische Diagnostik- und Behandlungsmethoden ausgeschöpft worden seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. September 1996 die Kostenübernahme ab, da es keine wissenschaftlich gesicherte Aussage über die Wirksamkeit von Akupunktur bei der für die Klägerin genannten Diagnose gebe. Mit Schreiben vom 19. September 1996, am 23. September 1996 bei der Beklagten eingegangen, legte die Klägerin unter Hinweis auf eine Stellungnahme von Dipl.-Med. H. Widerspruch ein. Dipl.-Med. H. gab an, dass die Ohrakupunkturbehandlung wegen der Omarthrose der rechten Schulter, degenerativer Veränderungen der Lendenwirbelsäule und einer Gonarthrose indiziert sei. Konventionelle Therapiemethoden seien ausgeschöpft, die bisher durchgeführte Akupunkturbehandlung habe die Beschwerden gelindert. Darüber hinaus wies die Klägerin darauf hin, seit 1973 wegen der Gelenkschmerzen in Behandlung zu sein und häufig Spritzen erhalten sowie Tabletten eingenommen zu haben. Außerdem habe sie sich auf eigene Kosten ein Massagegerät beschafft, um auch zu Hause Massagen durchführen zu können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da es sich bei der Akupunkturbehandlung sowie allen davon abgeleiteten Formen um keine medizinisch-wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden handele, die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen auslösen könnten. Der Gesetzgeber schreibe vor, dass eine nicht ausreichend erprobte Methode nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden dürfe. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehöre eine Behandlungsmethode erst dann zum Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Erprobung abgeschlossen sei und über die Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Dies setze einen Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Diese vom Bundessozialgericht geforderten Kriterien würden von der Akupunkturbehandlung bisher nicht einwandfrei erfüllt. Auch eine individuelle Einzelfallentscheidung sei nicht möglich, wie eine gutachterliche Stellungnahme des MDK ergeben habe.

Mit ihrer am 9. Juni 1997 beim Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und erneut vorgetragen, seit 1973 an Gelenkschmerzen in beiden Knien, den Ellenbogen, in der Schulter und in der Wirbelsäule zu leiden und in ständiger ärztlicher Behandlung zu sein. Sie sei auf schmerzlindernde Tabletten und Salben angewiesen. Nachdem sie über einen langen Zeitraum Spritzen bekommen habe, ohne dass ihre Leiden sich gebessert hätten, habe ihr Dipl.-Med. H. eine Akupunkturbehandlung angeboten, die sie privat finanziert habe. Daraufhin seien ihre Schmerzen gelindert worden. Das erneute Angebot von Dipl.-Med. H., eine Akupunkturbehandlung durchzuführen, habe sie angenommen. Die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte sei ihr unverständlich, weil alle anderen Behandlungsmethoden erfolglos geblieben seien.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. November 1997 hat das Sozialgericht Dipl.-Med. H als Zeugen vernommen. Er hat ausgesagt, bei der Klägerin seien die konventionellen Behandlungsmethoden zur Linderung der Schmerzen ausgeschöpft. Diese Einschätzung beruhe auf den Angaben der Klägerin, weil er selbst d...

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