Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld für ein nicht im Haushalt des Kindergeldberechtigten lebendes Kind. nachweisliche Weiterleitung
Leitsatz (amtlich)
Leitet die Kindergeldberechtigte das an sie gezahlte Kindergeld für ein volljähriges und nicht in ihrem Haushalt lebendes Kind nicht so an das Kind weiter, dass es von den ihr zur Verfügung stehendenden Mitteln separiert wird und von dem Kind zur Deckung seiner Bedarfe eingesetzt werden kann (zB durch Überweisung auf dessen Konto), liegt kein nachweisliches Weiterleiten an das Kind iS von § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) vor. Ein Abfluss durch Barabhebungen der Kindergeldberechtigten und die behauptete, aber nicht belegte Verwendung für das Kind oder ein Verbrauch im Rahmen der allgemeinen Lebens- und Haushaltsführung genügt nicht.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - die Berücksichtigung von Kindergeld als Einkommen im Zeitraum von März 2019 bis Februar 2020.
Die 1966 geborene Klägerin und Berufungsklägerin (im Weiteren: Klägerin) steht bei dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter) im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen. Sie bewohnt eine 66 m² große Dreizimmerwohnung in W., für die sie eine monatliche Gesamtmiete von 526 € (Bruttokaltmiete: 356 €, Heizkosten 170 €) bezahlt.
Die Klägerin ist die Mutter des am ... 1990 geborenen D. Der Sohn ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, aG, H, RF und Bl. Er arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in H. und wohnt in einer Wohngruppe des S.heims in H.-E., das Wohnplätze für taubblinde bzw. hörsehbehinderte und mehrfach behinderte Menschen vorhält. Der Sohn bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach§ 42 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII), Hilfe zum Lebensunterhalt nach§ 27b SGB XII und Eingliederungshilfe nach den §§ 53 , 54 SGB XII in Form der Übernahme der Kosten für die Unterbringung im Wohnheim. Dafür muss der Sohn einen monatlichen Betrag von 8,54 € aus seinem Werkstatteinkommen, das im Februar 2019 131,44 € netto betrug, und die Leistungen der Pflegekasse von 266 € beitragen (Bescheid des B.kreises vom 18. November 2018 für den Zeitraum von Dezember 2018 bis November 2019). Er erhält keinen Barbetrag zur persönlichen Verfügung, da er Blindenhilfe nach§ 72 Abs. 2 bis 4 SGB XII (bzw. Blindengeld) bezieht.
An den Wochenenden sowie während des Urlaubs hielt sich der Sohn regelmäßig im Haushalt der Klägerin auf. Dazu wurde er von einem Fahrdienst zur Wohnung gebracht (Freitagnachmittag) und wieder abgeholt (Montagmorgen). Ihm wurde ein sog. Verzehrgeld von der Einrichtung ausgezahlt für Tage, an denen er die in der Einrichtung angebotene Vollverpflegung nicht nutzt. Es handelte sich um monatliche Beträge zwischen 50 und 100 €, die auf dem Konto der Klägerin eingingen. Dort wurde auch das Kindergeld für den Sohn gutgeschrieben, das die Klägerin verwendet. In der Vergangenheit (2015 bis 2018) blieb das Kindergeld bei den SGB II-Leistungen anrechnungsfrei.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2019 bewilligte der Beklagte Leistungen für den Zeitraum von März 2019 bis Februar 2020 in Höhe von 786 € monatlich für die Zeit von März bis Juni 2019 und von 776 € für Juli 2019 bis Februar 2020. Bei den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) berücksichtigte der Beklagte die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe (526 €) und gelangte mit dem Regelbedarf für Alleinstehende (424 €) zu einem Gesamtbedarf von 950 €, auf den er das um die Versicherungspauschale (30 €) bereinigte Kindergeld von 164 € anrechnete. Es ergab sich ein Leistungsanspruch von 786 €, bzw. 776 € nach der Kindergelderhöhung auf 204 € ab Juli 2019.
Dagegen legte die Klägerin am 6. März 2019 Widerspruch ein. Sie sei mit der Einkommensanrechnung nicht einverstanden, denn sie verwende das Kindergeld für ihren Sohn, der sich im Schnitt zwischen 15 und 22 Tage im Monat in ihrem Haushalt aufhalte. In der Zeit absolviere sie mit ihm alle Arzt- und Facharztbesuche. Sie beschaffe mit einem erheblichen finanziellen Aufwand seine Bekleidung. Aufgrund seiner Behinderungen zerbeiße er Pullover und T-Shirts und beschädige Reißverschlüsse, weil er diese nicht zuverlässig allein öffnen und schließen könne. Zudem habe er aufgrund seiner Körperbehinderung einen hohen Verschleiß an Schuhen (Sohlenabrieb). Sie kaufe alle vier bis sechs Wochen neue Schuhe. Zudem verändere sich gerade seine Konfektionsgröße von XL auf XXL. Dies könne sie allein aus dem Bekleidungsgeld von 21,30 € pro Monat nicht finanzieren. Die Anrechnung des Kindergelds auf ihren Leistungsanspruch gefährde die Versorgung des Sohns. Hilfsweise stelle sie einen Antrag auf Mehrbedarfsleistungen.
D...