Detlef Burhoff, Dr. Benedikt Mick
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach § 100h können außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt und sonstige technische Mittel zum Einsatz kommen. |
2. |
§ 100h Abs. 1 Nr. 1 gestattet die Fertigung von Bildaufnahmen (Foto, Filme, Video) in der Öffentlichkeit. |
3. |
§ 100h Abs. 1 Nr. 2 regelt die Verwendung sonstiger technischer Mittel für Observationszwecke. |
4. |
Nach § 100f darf das nichtöffentlich gesprochene Wort – außerhalb des von Art. 13 GG geschützten Bereichs – abgehört und aufgezeichnet werden. |
5. |
Zielpersonen der Maßnahmen können neben dem Beschuldigten auch andere Personen sein. |
6. |
Das Verfahren bei Anordnung und Ausführung der Maßnahmen ist in §§ 100f, 100h geregelt. |
Rdn 3195
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Allgemeines, Teil M Rdn 3161.
Rdn 3196
1. Nach § 100h können außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt und sonstige technische Mittel zum Einsatz kommen. Die Neuregelung durch das TKÜErwG v. 21.12.2007 hat in Bezug auf technische Mittel nicht zu sachlichen, sondern nur zu redaktionellen Änderungen geführt. Damit bleibt die Rspr. und Lit. zu der früheren Regelung in § 100f Abs. 1 a.F. anwendbar. Im Einzelnen gilt:
Rdn 3197
2.a) § 100h Abs. 1 Nr. 1 gestattet die Fertigung von Bildaufnahmen (Foto, Filme, Video) in der Öffentlichkeit somit außerhalb von Wohnungen (s. S. 1; eingehend dazu Singelnstein NStZ 2014, 305 ff.). Nicht erfasst ist die Anfertigung von Lichtbildern am Tatort zur Beweis- und Spurensicherung; zu unterscheiden ist auch die → Polizeiliche Beobachtung, Teil P Rdn 3850, nach § 163e. Die Vorschrift sieht keine zeitliche Befristung vor (BGHSt 44, 13). Ohne Weiteres zulässig ist daher z.B. die Herstellung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen bei einer sog. kurzfristigen Überwachung/Observation außerhalb von Wohnungen, für sog. längerfristige Observationen gilt seit dem 1.11.2000 hingegen § 163f (→ Observation durch die Polizei, Teil O Rdn 3351; eine längerfristige Observation von Gelände oder Freiflächen ohne konkreten Tatverdächtigten unterfällt jedoch weiterhin § 100h (LG Bamberg, BeckRS 2023, 11038); zur (Un)Zulässigkeit einer automatisierten Kennzeichenerfassung BVerfG NJW 2008, 1505 und Roßnagel NJW 2008, 2547). Führt der Einsatz der technischen Mittel nach Abs. 1 Nr. 1 zu einer längerfristigen Observation (zum Begriff → Observation durch die Polizei, Teil O Rdn 3354) müssen zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 100h Abs. 1 Nr. 1 auch die des § 163f vorliegen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 100h Rn 1; BGHSt 46, 266 [für eine Maßnahme nach Nr. 2]).
Rdn 3198
Umstritten ist/war nach der Entscheidung des BVerfG v. 11.8.2009 (2 BvR 941/08; NJW 2009, 3293) in Rspr. und Literatur, ob die Vorschrift des § 100h Rechtsgrundlage für (Video)Messungen im Straßenverkehr sein kann. Das wird von der wohl überwiegenden Auffassung in der Lit. (die o.a. Hinw.) verneint, von der Rspr. der OLG hingegen weitgehend bejaht (grundlegend OLG Bamberg NJW 2010, 100; s. wohl auch BVerfG NJW 2010, 2717; DAR 2010, 574 und Meyer-Goßner/Schmitt, § 100h Rn 1 m.w.N; auch Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi [6. Aufl. 2021], Rn 646 und die Zusammenstellung der Rspr. dort bei Rn 650, sowie bei Rausch zfs 2010, 302 und zfs 2010, 547; → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Verfahren, Teil B Rdn 1631).
☆ Inzwischen wird in Rspr. und Lit. diskutiert , ob Aufzeichnungen privat genutzter Dashcams im Straßenverkehr in Strafverfahren verwertet werden dürfen. In der Rspr. wird ein Verwertungsverbot verneint (OLG Stuttgart NJW 2016, 2280; AG Nienburg DAR 2015, 280 m. Anm. Deutscher StRR 2015, 185 [im Fall einer Straftat u.a. nach § 315c StGB]), im Schrifttum zum Teil bejaht ( Niehaus NZV 2016, 551 m.w.N. in der Anm. zu OLG Stuttgart, a.a.O.; ders. , 54. Dt. Verkehrsgerichtstag [Tagungsband 2016], S. 193 ff.; weit. Nachw. → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines , Teil B Rdn 1339 , u. Meyer-Goßner/Schmitt , § 100h Rn 1a).diskutiert, ob Aufzeichnungen privat genutzter Dashcams im Straßenverkehr in Strafverfahren verwertet werden dürfen. In der Rspr. wird ein Verwertungsverbot verneint (OLG Stuttgart NJW 2016, 2280; AG Nienburg DAR 2015, 280 m. Anm. Deutscher StRR 2015, 185 [im Fall einer Straftat u.a. nach § 315c StGB]), im Schrifttum zum Teil bejaht (Niehaus NZV 2016, 551 m.w.N. in der Anm. zu OLG Stuttgart, a.a.O.; ders., 54. Dt. Verkehrsgerichtstag [Tagungsband 2016], S. 193 ff.; weit. Nachw. → Beweisverwertungsverbote, Allgemeines, Teil B Rdn 1339, u. Meyer-Goßner/Schmitt, § 100h Rn 1a).
Rdn 3199
b) Im Einzelnen gilt für die Anordnungsvoraussetzungen einer Maßnahme nach § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (zu allem Meyer-Goßner/Schmitt, § 100h Rn 1 m.w.N.):
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Der Einsatz dieser Mittel ist – anders als bei § 100h Abs. 1 Nr. 2 – nicht auf bestimmte Katalogtaten beschränkt. |
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Es genügt einfacher Tatverdacht (zum Anfangsverdacht bei der "Videomessung" die Nachw. bei Burhoff/Gieg/Krenberger, OWi, Rn 640 ff., und Wilken NZV 2011, 67). |
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Subsidiaritätsklausel und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sind zu beachten... |