Das Wichtigste in Kürze:

1. Der sog. "Große Lauschangriff"/die akustische Wohnraumüberwachung ist in § 100c geregelt.
2. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme ergeben sich aus § 100c Abs. 1. Es muss u.a. eine besonders schwere Straftat vorliegen.
3. Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist die Regelung des Kernbereichsschutzes in § 100d.
4. § 100d Abs. 5 legt Abhörverbote fest.
5. Zielpersonen des "Großen Lauschangriffs" können neben dem Beschuldigten auch andere Personen sein.
6. Das Verfahren bei Anordnung und für die Ausführung des "Großen Lauschangriffs" ist in §§ 100d, 100e geregelt.
 

Rdn 3064

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Allgemeines, Teil M Rdn 3052.

 

Rdn 3065

1. Der sog. "Große Lauschangriff"/die akustische Wohnraumüberwachung ist in § 100c geregelt. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen auch das Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes des Beschuldigten in einer Wohnung i.S.d. Art. 13 GG erlaubt (zum Begriff der Wohnung Teil M Rdn 3096). Die Neuregelung war durch das Urt. des BVerfG v. 3.3.2004 (NJW 2004, 999) erforderlich geworden (dazu → Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen, Allgemeines, Teil M Rdn 3053 ff.). Dieses sah durch die frühere Regelung den unantastbaren Kernbereich der privaten Lebensführung als nicht genügend geschützt an. Die Privatwohnung sei als "letztes Refugium" ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Das verlange zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber den absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstelle. Das BVerfG hat allerdings offengelassen, wie dieser Kernbereich zu definieren und zu begrenzen ist. Das hat zu weiteren Diskussionen um den "Großen Lauschangriff" geführt (dazu z.B. Ruthig GA 2004, 587), zumal die Neuregelung schon im Gesetzgebungsverfahren als "Umgehung der Vorgaben" des BVerfG kritisiert worden ist (Leutheusser-­Schnarrenberger ZRP 2005, 1). Die gefundene Regelung ist aber inzwischen vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehen worden (NJW 2007, 2753). Damit hat die Diskussion (vorerst) ein Ende gefunden. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die gesetzliche Regelung (wegen weiterer Einzelh. Löffelmann NJW 2005, 2003; ders. eingehend in ZIS 2006, 87; Baldus JZ 2008, 218; Rauschenberger Krim 2005, 654; zur Reichweite der Entscheidung des BVerfG auf die präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung Heinrichs Krim 2005, 658).

 

☆ Unzulässig bleibt auch weiterhin die optische Wohnraumüberwachung (dazu eingehend ­ Eisenberg NStZ 2002, 638). Auch kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Bereiche außerhalb von Wohnungen nicht in Betracht (LG Berlin StV 1998, 525), da anderenfalls § 100f Abs. 2 leer liefe. Die Vorschrift des § 100c erlaubt auch nicht die → Online-Durchsuchung , Teil O Rdn  3261 (BGHSt 51, 211, s.a. BVerfG NJW 2008, 822). bleibt auch weiterhin die optische Wohnraumüberwachung (dazu eingehend ­Eisenberg NStZ 2002, 638). Auch kommt eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Bereiche außerhalb von Wohnungen nicht in Betracht (LG Berlin StV 1998, 525), da anderenfalls § 100f Abs. 2 leer liefe. Die Vorschrift des § 100c erlaubt auch nicht die → Online-Durchsuchung, Teil O Rdn 3261 (BGHSt 51, 211, s.a. BVerfG NJW 2008, 822).

Unzulässig ist grds. auch eine räumliche und zeitliche Rundumüberwachung (BVerfG NJW 2004, 999; 2005, 1338; dazu BGHSt 54, 69, wo zahlreiche unterschiedliche verdeckte Überwachungsmaßnahmen kombiniert waren; auch BVerfG NJW 2004, 999, 1004). Der BGH (a.a.O.) hat eine solche Maßnahme aber dann als zulässig angesehen, wenn die (Eingriffs-) Voraussetzungen für jede einzelne der Maßnahmen vorliegen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet ist (zu den Anforderungen an die Verfassungsbeschwerde BVerfG StraFo 2012, 27).

 

Rdn 3066

2. Für die Anordnung eines "Großen Lauschangriffs" müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

 

☆ Das Einverständnis des Wohnungsinhabers mit der Maßnahme macht die Anordnung nach §§ 100c, 100d nicht entbehrlich, da Grundrechtspositionen Dritter betroffen sein können (BT-Drucks 15/4533, S. 26; Löffelmann ZIS 2006, 88; Meyer-Goßner/Schmitt , § 100c Rn 4).Einverständnis des Wohnungsinhabers mit der Maßnahme macht die Anordnung nach §§ 100c, 100d nicht entbehrlich, da Grundrechtspositionen Dritter betroffen sein können (BT-Drucks 15/4533, S. 26; Löffelmann ZIS 2006, 88; Meyer-Goßner/Schmitt, § 100c Rn 4).

 

Rdn 3067

a) Nach § 100c Abs. 1 Nr. 1 muss eine "besonders schwere Straftat" vorliegen. Dafür verweist § 100c Abs. 1 Nr. 1 auf § 100b zur → Online-Durchsuchung, Teil O Rdn 3279. Dort ist nach den Änderungen durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017 der früher beim "Großen Lauschangriff" eingestellte Straftatenkatalog enthalten, der auf den Vorgaben des BVerfG (NJW 2004, 999) beruht (wegen weiterer Einzelh. d...

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