Leitsatz
Legt der VN der Polizei über gestohlene Gegenstände nicht unverzüglich eine Stehlgutliste vor, liegt zwar der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung vor, handelt es sich jedoch bei dem Stehlgut um nicht individualisierbare Massenware des alltäglichen Lebensbedarfs, so ist der Versicherer von seiner Verpflichtung zur Leistung nicht mangels Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei gem. §§ 13 Nr. 1 b, 2 AERB 87 i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG frei geworden.
Normenkette
§ 6 Abs. 3 VVG, § 13 Nr. 1 b AERB 87, § 2 AERB 87
Sachverhalt
Dem Kl. waren bei einem Einbruch in sein Lebensmittelgeschäft eine Elektronikwaage sowie Lebensmittel, Spirituosen, Zigaretten und Feuerzeuge entwendet worden, für die er von der Bekl. Entschädigung begehrte.
Entscheidung
Nach den Ausführungen des OLG war in der Sache ein Teil-Versäumnisurteil gegen den Kl. insoweit zu erlassen, als er eine Entschädigung für die entwendete Elektronikwaage (2.250 DM) begehrt. Soweit der Kl. aus dem mit der Bekl. geschlossenen Versicherungsvertrag die Zahlung einer Entschädigung für die Beschädigung der Tür (215,80 DM) sowie den Verlust von Lebensmitteln, Spirituosen, Zigaretten und Feuerzeugen von insgesamt 8.227,80 DM begehre, rechtfertige das Vorbringen des Bekl. eine Klageabweisung nicht.
Hinsichtlich des Verlustes der vorgenannten Waren sei die Bekl. von ihrer Verpflichtung zur Leistung nicht mangels Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei gem. §§ 13 Nr. 1 b, 2 AERB 87 i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG frei geworden. Zwar liege sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nach § 13 Nr. 1 b AERB 87 vor, der nach § 6 Abs. 3 VVG vermutet wird. Der Kl. habe zu keinem Zeitpunkt eine Stehlgutliste bei der Polizei vorgelegt. Die Obliegenheitsverletzung des Kl. sei jedoch nach Lage der Dinge weder generell geeignet gewesen, die Interessen der Bekl. ernsthaft zu gefährden, noch sei sie für die Feststellung des Versicherungsfalls oder für die Feststellung oder den Umfang der von der Bekl. zu leistenden Entschädigung kausal geworden.
Die Vorlage einer Stehlgutliste wäre nach der Lebenserfahrung für den Fahndungserfolg der Polizei ohne Einfluss gewesen, weil es sich bei den genannten Waren - im Gegensatz zu der Elektronikwaage - um nicht individualisierbare Massenware des alltäglichen Lebensbedarfs handelt, die, wenn sie im Zuge polizeilicher Fahndung entdeckt worden wäre, auch dann dem konkreten Diebstahl nicht zuverlässig hätte zugeordnet werden können, wenn sie gemeinsam mit der Elektronikwaage aufgefunden worden wäre. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei solle zwar nicht nur den Fahndungserfolg der Polizei ermöglichen, sondern darüber hinaus auch die Hemmschwelle für die Vortäuschung von Versicherungsfällen und die nachträgliche Aufbauschung des Schadens erhöhen. Diese so genannte Vertragsgefahr habe sich vorliegend aber ebenfalls nicht verwirklicht, da der Kl. bereits mit Schadenanzeige zeitnah zu dem Versicherungsfall der Bekl. eine Schadenaufstellung habe zukommen lassen und diese zudem die Schadenshöhe im vorliegenden Verfahren nicht bestreite.
Link zur Entscheidung
OLG Köln, Urteil vom 16.01.1996, 9 U 342/94