Leitsatz
Geschiedene Eheleute stritten sich über die Kindergeldbezugsberechtigung für ihren gemeinsamen im Jahre 1988 geborenen Sohn, der von September 2000 bis Ende Juli 2003 ein Internat besuchte und die Heimfahrtswochenenden abwechselnd bei seinem Vater und seiner Mutter verbrachte. Seit August 2003 wohnte er im Wesentlichen in dem Haushalt seiner Mutter.
Die Eltern konnten sich über die Kindergeldbezugsberechtigung nicht einigen. Auf Antrag des Vaters bestimmte das AG - VormG - mit Beschluss vom 22.9,2004 ihn zum Berechtigten zum Empfang des Kindergeldes unter Hinweis darauf, dass er mehr Leistungen für das Kind erbracht hat. Auf die Beschwerde der Mutter änderte das LG den Beschluss am 16.3.2005 dahingehend ab, dass diese für den Zeitraum von September 2000 bis Ende Juli 2003 bezugsberechtigt sei. Hiergegen wandte sich der Vater mit der weiteren Beschwerde, die keinen Erfolg hatte.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des LG, wonach die Bezugsberechtigung für das Kindergeld sich nach dem Obhutprinzip bestimmt, wonach derjenige bezugsberechtigt sein soll, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat und dadurch am meisten durch den Kindesunterhalt belastet ist. Obhut bedeute Betreuung, Erziehung und Versorgung im Haushalt des Berechtigten. Werde die Obhut im Haushalt mehrerer und zwar gleichartiger Berechtigter, nämlich von Eltern, einem Elternteil und dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern gewährt und bestimmten diese untereinander keinen Alleinberechtigten, so ist das VormG auf Antrag berufen, eine Bestimmung nach den Grundsätzen des Kindeswohls zu treffen. Unter Berücksichtigung des Kindeswohls sei das Kindergeld demjenigen zu gewähren, der tatsächlich für das Kind sorge und nach seiner Person die beste Gewähr dafür biete, dass er das Kindergeld auch zum Wohle des Kindes verwendet. Das Kindergeld soll eine Hilfe für denjenigen sein, der die Kinder aufzieht und damit die Lasten des Unterhalts und der Erziehung trägt. Am meisten durch den Kindesunterhalt belastet sei nicht zwangsläufig derjenige, der materiell den größeren Beitrag hierfür aufwende. Dies könne allerdings Entscheidungskriterium dann sein, wenn weitere Kriterien nicht ersichtlich sind. Eine übereinstimmende Bestimmung der Bezugsberechtigung zwischen den Eltern lag nicht vor. Damit waren die Voraussetzungen für eine Bestimmung durch das VormG nach § 64 Abs. 2 S. 3 EStG gegeben. Diese Vorschrift enthält keine Vorgaben, nach welchen Grundsätzen das VormG die Bezugsberechtigungsbestimmung zu treffen hat. Das Gericht ist daher in seiner Entscheidung frei und hat die Bestimmung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die von den Gerichten der Tatsacheninstanz getroffene Ermessensentscheidung nur begrenzt nachprüfen, nämlich nur insoweit, ob sie von ihrem Ermessen einen rechtsfehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht haben, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen sind oder wesentliche Umstände unerörtert gelassen haben (BayObLGZ 1965, 348 [352 f.]; und st. Rspr.; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rz 23; Keidel/Meyer/Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz 23 f.). Ein solcher Rechtsfehler war nicht zu erkennen.
Es entspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, so dass im Rahmen der Ermessenentscheidung regelmäßig das VormG denjenigen zum Berechtigten zu bestimmen hat, der in seiner Person die Gewähr dafür bietet, dass er das Kindergeld zum Wohle des Kindes verwendet. Zweck der Norm ist nicht, einen Ausgleich unter den Eltern wegen verschieden hoher Unterhaltsleistungen herzustellen. Letzteres ist Sache des Unterhaltsrechts. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungen eines Elternteils auf einer Vereinbarung beruhen. § 64 Abs. 3 S. 2 EStG lässt sich keine Einschränkung des Ermessens dahingehend herleiten, dass derjenige das Kindergeld erhalten soll, der den größeren Unterhaltsbeitrag leistet.
Dem Wohl des Kindes würde es widersprechen, wenn der Elternteil, der nunmehr nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten überwiegend die Obhut über das gemeinsame Kind übernommen hat, erheblichen Rückforderungen der Familienkasse ausgesetzt wäre, da sich diese Zahlungsverpflichtung auch auf die Versorgung des Kindes auswirken würde.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 27.01.2006, 33 Wx 068/05