Leitsatz

  1. 2 gegen denselben Beschluss gerichtete Anfechtungsklagen müssen zwingend (ggf. auch noch in der Berufungsinstanz oder instanzenübergreifend) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden
  2. Unterbleibt Verbindung, kann jeder Kläger auch im Parallelverfahren Rechtsmittel gegen ein klageabweisendes Urteil einlegen
  3. Wird eine Entscheidung in einem der beiden Verfahren rechtskräftig, hat dies die Unzulässigkeit der 2. Klage zur Folge
  4. Kostenverteilungsänderung (hier: zu Fensteraustausch) für den Einzelfall oder generell (Auslegung des klägerischen Begehrens durch das Berufungsgericht)
  5. Bestandskräftiger Negativbeschluss (ohne Sperrwirkung) und nachfolgende Gestaltungsklage (Antrag auf gerichtliche Entscheidung)
 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 4, 21 Abs. 4 und Abs. 8, 46 Abs. 2, 47 Satz 1 und 48 Abs. 4 WEG; §§ 322 Abs. 1, 325 Abs. 1 ZPO

 

Kommentar

  1. Beide Anfechtungsklagen wurden zwischen denselben Parteien geführt, wenn auch in unterschiedlichen Parteirollen. Ein Kläger war im Parallelverfahren aufseiten der übrigen Wohnungseigentümer Mitbeklagter. Dort wurde die Anfechtungsklage rechtskräftig abgewiesen. Im weiteren Anfechtungsverfahren ist in subjektiver Hinsicht Rechtskraftwirkung eingetreten (§ 325 Abs. 1 ZPO), ebenso in materieller Hinsicht, weil der Streitgegenstand identisch ist (§ 322 Abs. 1 ZPO).
  2. Dem Einwand der Rechtskraft steht nicht entgegen, dass die Klage im Parallelverfahren nicht auf Nichtigkeit des Beschlusses gestützt war, da Nichtigkeits- und Anfechtungsklage denselben Streitgegenstand betreffen, wie sich dies aus den gesetzlichen Regelungen in §§ 46 Abs. 2, 47 Satz 1 und 48 Abs. 4 WEG ergibt (vgl. auch BGH, Urteil v. 2.10.2009, V ZR 235/08 und BGH v. 20.5.2011, V ZR 175/10). Auch im Rahmen einer Anfechtungsklage hat das Gericht etwaige Gründe einer Beschlussnichtigkeit von Amts wegen zu prüfen. Ob dies tatsächlich geschehen ist, ist für den Eintritt der Rechtskraft unerheblich.

    Auch die unterbliebene Verbindung des Verfahrens führt hier zu keinem anderen Ergebnis.

  3. Richtig ist allerdings, dass Verbindung zwingend erforderlich ist und auch noch in 2. Instanz und sogar instanzenübergreifend hätte erfolgen müssen. Insoweit hätte hier allerdings der Kläger entsprechende Verbindung verfahrensrechtlich anregen müssen; denn ein Parteiwechsel im Parallelverfahren wäre nur im allseitigen Einverständnis zulässig gewesen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hätte der Kläger im anderen Verfahren auch nicht als Nebenintervenient beitreten können, da § 66 Abs. 1 ZPO voraussetzt, dass ein Rechtsstreit zwischen anderen Parteien geführt wird; daran fehlt es vorliegend, weil der Kläger im Parallelverfahren Beklagter war. Nur im Fall erfolgter Verbindung sieht § 47 Satz 2 WEG vor, dass Kläger selbstständiger Verfahren fortan als Streitgenossen anzusehen sind. Soweit aus dem Senatsurteil vom 27.3.2009 (V ZR 196/08) mögliche streitgenössische Nebenintervention einzelner Wohnungseigentümer auf der Klägerseite abzuleiten sei, hält der Senat daran nicht fest.

    Allerdings rechtfertigt die unterbliebene Verbindung keine Durchbrechung der Rechtskraft, wenn – wie hier – im Parallelverfahren eine Sachprüfung stattgefunden hat (h.M.). Dieses Ergebnis ist im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen. Für eine Ausnahme besteht hier auch kein Anlass, selbst wenn der Kläger – wenngleich als Beklagter – Partei des Parallelverfahrens war. Auch in diesem Verfahren hätte der Kläger auch noch in 2. Instanz Verbindung der Verfahren anregen können; es hätte ihm auch offen gestanden, im Parallelverfahren selbst Berufung einzulegen und zugleich die Verbindung mit dem von ihm geführten Verfahren anzuregen, um den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern.

  4. Im Parallelverfahren wurde im Übrigen ein Negativbeschluss zur Kostenverteilungsänderung angefochten, während der Kläger mit seinem Antrag auch Zustimmung zur begehrten Beschlussfassung einklagte. Insoweit handelt es sich um unterschiedliche Anträge mit unterschiedlicher Zielrichtung und damit auch fehlender Streitgegenstandsidentität. Der durch die rechtskräftige Entscheidung im Parallelverfahren durch Zurückweisung der Anfechtungsklage bestandskräftig gewordene Negativbeschluss entfaltet keine Sperrwirkung für erneute Beschlussfassung über gleichen Gegenstand (BGH, Beschluss v. 19.9.2002, V ZB 30/02). Das rechtskräftige Urteil im parallelen Anfechtungsprozess schließt spätere Gestaltungsklage nicht aus.

    Allerdings ist der derzeit klägerisch gestellte Klageantrag auf Zustimmung zu einem bestimmten Beschluss unzulässig, da ein einzelner Eigentümer seinen Anspruch nach § 21 Abs. 4 WEG grundsätzlich im Wege der Gestaltungsklage gemäß § 21 Abs. 8 WEG verfolgen und Antrag auf abändernde Beschlussfassung durch gerichtliche Entscheidung stellen muss (vgl. BGH, Urteil v. 15.1.2010, V ZR 114/09 und BGH v. 11.6.2010, V ZR 174/09). Insoweit muss das Berufungsgericht dem Kläger neuerlich Gelegenheit geben, seinen Antrag anzupassen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

  5. Gemäß § 16 Abs. ...

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