Leitsatz
Ein im Jahre 1988 geborener Gymnasialschüler nahm seinen barunterhaltspflichtigen Vater auf Zahlung laufenden Unterhalts und auf Zahlung von Sonderbedarf, hilfsweise Mehrbedarf wegen der für seinen mehrmonatigen Aufenthalt in England entstandenen Mehrkosten in Anspruch.
Sachverhalt
Der im Jahre 1988 geborene Kläger war Gymnasialschüler und absolvierte nach Abschluss der 10. Klasse in der Zeit von September 2004 bis einschließlich Juni 2005 einen Studienaufenthalt an einem College in England. Ab September 2005 lebte er wieder im Haushalt seiner sorgeberechtigten Mutter und besuchte die 11. Gymnasialschulklasse.
Der Kläger nahm seinen Vater im Wege der Stufenklage auf Zahlung laufenden monatlichen Unterhalts zum einen und die teilweise Erstattung der ihm durch den Auslandsaufenthalt entstandenen Mehrkosten in Höhe eines Betrages von 2.330,00 EUR als Sonderbedarf, hilfsweise als erhöhten Mehrbedarf in Anspruch.
Seiner Klage auf Zahlung laufenden monatlichen Unterhalts wurde durch Teilurteil stattgegeben, die Klage auf Zahlung eines Sonderbedarfs, hilfsweise Mehrbedarfs, abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wandte sich der Kläger mit der Berufung, die im Ergebnis nicht erfolgreich war.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach von dem Beklagten über den von ihm monatlich gezahlten Tabellenunterhalt hinaus ein Teil der für den Studienaufenthalt des Klägers an dem College in England angefallenen Kosten nicht verlangt werden konnte.
Die von dem Kläger insoweit nachgewiesenen Kosten von insgesamt 6.990,00 EUR überstiegen nach Auffassung des OLG den angemessenen Ausbildungsbedarf des Klägers und seien von dem Beklagten deshalb auch nicht teilweise zu übernehmen.
Dies gelte unabhängig davon, ob die Ausbildungskosten einen Sonderbedarf gem. § 1613 Abs. 2 Ziff. 1 BGB oder als zeitweise erhöhter laufender Bedarf gem. §§ 1601, 1610 BGB geltend gemacht werden.
Die Auffassung des Klägers sei zwar insoweit richtig, als einer Verpflichtung zur Kostenbeteiligung nicht schon das fehlende Einverständnis des Beklagten mit dem Auslandsaufenthalt entgegenstehe. Die generelle Bindung an die Entscheidung des allein sorgeberechtigten Elternteils führe allerdings nicht dazu, dass das Kind den durch die nur von einem Elternteil getroffene Ausbildungswahl bedingten Mehrbedarf gegenüber dem anderen Elternteil unbeschränkt geltend machen könne. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil habe sich vielmehr an diesen Mehrkosten nur dann zu beteiligen, wenn diese sachlich begründet und wirtschaftlich zumutbar seien. In Fällen des Auslandsstudiums oder einer zusätzliche Kosten verursachenden Privatschulausbildung müssten im Übrigen darüber hinaus wichtige Gründe vorliegen, die es rechtfertigten, die Mehrkosten zu Lasten des Unterhaltspflichtigen als angemessene Ausbildungskosten anzuerkennen (Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 320c; OLG Koblenz v. 5.10.2004 - 11 UF 27/04, OLGReport Koblenz 2005, 494 = FamRZ 2005, 1006 [1007]).
Bei der Prüfung der Angemessenheit seien nicht nur die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern, sondern auch andere ausreichende Förderungsmöglichkeiten für das Kind zu berücksichtigen, die bei geringeren Kosten zu einem vergleichbaren Erfolg führen.
Wenngleich sich der Studienaufenthalt für den Kläger tatsächlich positiv ausgewirkt habe, hätte die Finanzierung dieses mehrmonatigen Auslandsaufenthalts nach Auffassung des OLG zumindest bei nicht weit überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen der Eltern den angemessenen Ausbildungsbedarf des Klägers überstiegen. Eine Beteiligung an diesen Kosten stelle daher für den unterhaltsverpflichteten Vater eine überobligationsmäßige Leistung dar, zu der er nicht verpflichtet sei. Dies gelte um so mehr für Auslandsaufenthalte über ein gesamtes Schuljahr während der Gymnasialschulzeit, die sich aufgrund dieses Auslandsaufenthaltes um ein Jahr verlängert. Einjährige Auslandsaufenthalte seien im Rahmen der Gymnasialausbildung weder für das Erreichen überdurchschnittlicher Leistungen in den Fremdsprachenfächern erforderlich, noch seien sie allgemein üblich.
Der Beklagte verfüge auch nicht über ein überdurchschnittliches Einkommen, das ihn in die Lage versetzen könnte, den Auslandsaufenthalt seines Sohnes ohne persönliche Einschränkungen teilweise zu finanzieren. Es seien auch keine wichtigen Gründe in der Person des Klägers erkennbar oder dargetan, die die Finanzierung des Englandaufenthaltes dem Beklagten ausnahmsweise unter Einschränkung seiner persönlichen Lebensführung wirtschaftlich zumutbar machen könnten. Allein der Umstand, dass der Auslandsaufenthalt des Klägers der schulischen und beruflichen Entwicklung grundsätzlich nützlich sein könne, rechtfertige die Angemessenheit der Ausbildungskosten durch den Englandaufenthalt nicht.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Urteil vom 09.02.2006, 21 UF 619/05