Leitsatz

Überlässt der eine von 2 Erbbauberechtigten eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks dem anderen Erbbauberechtigten eine der Wohnungen gegen Entgelt, handelt es sich regelmäßig um einen Mietvertrag (im Anschluss an BGH, Urteil v. 8.1.1969, VIII ZR 184/66, WM 1969 S. 298).

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 535

 

Kommentar

A und B sind die Erbbauberechtigten zu je ½ eines Grundstücks, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Die Erdgeschosswohnung wird von B und dessen Ehefrau C genutzt. Diese Nutzung beruht auf einem dreiseitigen Vertrag zwischen A, B und C. Dieser Vertrag wird als "Mietvertrag" bezeichnet. In § 1 dieses Vertrags heißt es: "Vermietet werden im Haus ... die ideelle Hälfte des Erdgeschosses als Wohnung ...". Als monatliche Miete ist ein Betrag von 481 EUR vereinbart.

A nimmt B auf Zahlung von Miete in Anspruch. Dieser wendet ein, dass die Miete wegen verschiedener Mängel gemindert sei. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Minderung sei nicht zu berücksichtigen, weil der Vertrag nicht als Mietvertrag zu bewerten sei. Gegenstand des Vertrags sei nicht die Überlassung einer Sache, sondern die Nutzung eines Rechts, nämlich des ideellen Bruchteils. Ein solcher Vertrag sei "als Vertrag eigener Art" anzusehen, auf den § 536 BGB keine Anwendung finde.

Der BGH ist anderer Ansicht: Vereinbaren die Miteigentümer eines Grundstücks, dass dieses einem der Miteigentümer zur alleinigen Nutzung gegen Zahlung eines Entgelts überlassen werden soll, so ist das Vertragsverhältnis nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 8.1.1969, VIII ZR 184/66, WM 1969 S. 298; Urteil v. 17.12.1973, II ZR 59/72, NJW 1974 S. 364; Urteil v. 15.9.1997, II ZR 94/96, NJW 1998 S. 372; Urteil v. 11.9.2000, II ZR 324/98, NZM 2001 S. 45) als Mietverhältnis zu bewerten. Dasselbe gilt für einen entsprechenden Vertrag, der zwischen den Erbbauberechtigten geschlossen wird.

Die Bezeichnung des Vertragsgegenstands als "ideelle Hälfte des Erdgeschosses" entspricht der Praxis der Finanzbehörden, wonach die Überlassung eines Grundstücks an einen Miteigentümer steuerlich nur insoweit als Miete gilt, als die Nutzung über den Miteigentumsanteil hinausgeht. An der zivilrechtlichen Einordnung des Rechtsverhältnisses ändert dies nichts.

Für die Anwendung der Gewährleistungsregeln spielt es im Grundsatz keine Rolle, dass der Nutzungsberechtigte gegebenenfalls als Miteigentümer oder Miterbbauberechtigter an der Mangelbeseitigung mitwirken muss. Eine solche Verpflichtung kann sich lediglich auf die Höhe der Minderung und die Kostenbeteiligung auswirken.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 15.9.2010, VIII ZR 16/10, WuM 2010 S. 711

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