Leitsatz

1. Gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Wohnung der Preisbindung unterliegt, und erweist sich diese Annahme als unzutreffend, so ist der Mietvertrag wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage den veränderten Verhältnissen anzupassen.

2. Hat der Vermieter in einem solchen Fall die Miete nach den §§ 10, 8a WoBindG erhöht, so ist die Mieterhöhung unwirksam. Der Mieter kann die Differenz zwischen der gezahlten höheren Kostenmiete und der nach der Vertragsanpassung geschuldeten niedrigeren Vergleichsmiete zurückverlangen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der gesamten Erhöhungsbeträge steht dem Mieter dagegen nicht zu.

(Leitsätze der Redaktion)

 

Normenkette

BGB § 313; II. WoBauG § 17 Abs. 1 Satz 2

 

Kommentar

Der Eigentümer eines Altbaus hatte die Wohnungen in den 1970er-Jahren saniert und hierfür öffentliche Mittel in Anspruch genommen. Eine der Wohnungen wurde 1977 zu einer monatlichen Grundmiete von 156,85 EUR vermietet. Dabei sind die Parteien davon ausgegangen, dass die Wohnungen wegen der Verwendung öffentlicher Mittel der Preisbindung unterliegen. In der Folgezeit wurde die Miete mehrmals nach den §§ 10, 8a WoBindG erhöht. Die letzte Erhöhung erfolgte im Dezember 2006 auf 552,23 EUR. Der Mieter hat die erhöhte Miete jeweils gezahlt. Im Jahr 2008 hat der Mieter den Vermieter auf Rückzahlung aller Erhöhungsbeträge in Anspruch genommen. Der Mieter hat die Ansicht vertreten, dass die Erhöhungserklärungen unwirksam sind, weil die Wohnung in Wirklichkeit nicht preisgebunden sei. Der BGH hatte zu entscheiden, ob dem Mieter in Fällen dieser Art ein Rückforderungsanspruch zusteht und wie dieser zu errechnen ist.

1. Die Mieterhöhung nach § 10 WoBindG setzt voraus, dass die Wohnung öffentlich gefördert wurde (§ 1 WoBindG). Werden öffentliche Mittel für die Sanierung von Altbauwohnungen gewährt, gilt diese Maßnahme nur dann als öffentliche Förderung i. S. d. §§ 1, 10 WoBindG, wenn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG vorliegen (§§ 1 WoBindG, 50 WoFG, 6 Abs. 1 des II. WoBauG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des (mittlerweile aufgehobenen) II. WoBauG gilt der Umbau von bestehenden Wohnungen nur dann als Maßnahme der öffentlichen Förderung, wenn die Räume "infolge Änderung der Wohngewohnheiten nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind" und zur Herstellung eines zeitgemäßen Standards ein "wesentlicher Bauaufwand" erforderlich ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist vom Zivilgericht festzustellen. An die Bewertung der Maßnahme durch die Bewilligungsstelle ist das Gericht nicht gebunden; deshalb liegt auch dann preisfreier Wohnraum vor, wenn die Bewilligungsstelle irrig von einer förderungsfähigen Maßnahme ausgegangen ist (LG Berlin, Urteil v. 2.6.1994, 62 S 440/93, GE 1994 S. 929).

2. Im Ausgangsfall ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 des II. WoBauG nicht vorgelegen haben. Das Landgericht hat weiter ausgeführt, dass dem Mieter gleichwohl kein Rückforderungsanspruch zustehe. Der Mieter habe die erhöhte Miete über einen Zeitraum von 25 Jahren vorbehaltlos gezahlt; aus diesem Grund verstoße die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

3. Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach seiner Meinung ist der Mietvertrag nach den Regeln der Vertragsanpassung bei Fehlen der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) abzuändern. Beide Parteien seien beim Abschluss des Mietvertrags im Jahr 1977 davon ausgegangen, dass die Wohnung preisgebunden ist. Diese übereinstimmende Vorstellung sei damit zur Geschäftsgrundlage des Mietvertrags geworden. Diese Geschäftsgrundlage entfällt, wenn die Preisbindung in Wirklichkeit nicht besteht. In diesem Fall hätte der Vermieter die Miete nach §§ 558 ff. BGB erhöht. Auf dieser Basis ist der Vertrag anzupassen.

4. Die Kostenmieterhöhung führt zu einem höheren Betrag als eine Mieterhöhung nach den §§ 558 ff. BGB. Die Differenz zwischen der gezahlten höheren Kostenmiete und der nach der Vertragsanpassung geschuldeten niedrigeren Vergleichsmiete kann der Mieter zurückverlangen. Ein Anspruch auf Rückzahlung der gesamten Erhöhungsbeträge steht dem Mieter dagegen nicht zu.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 235/09 (im Wesentlichen identisch mit Urteil v. 24.3.2010, VIII ZR 160/09, NJW 2010 S. 1663)

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