Leitsatz
Ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ist insolvenzrechtlich nicht verpflichtet, der Weiterleitung von Mietzahlungen, die der Schuldner als Zwischenvermieter erhält, an den Hauptmieter zuzustimmen. Die Unterlassung der Mietzahlung kann ein fristloses Kündigungsrecht des Vermieters, jedoch keine Masseschuld begründen (Abgrenzung zu BGH, Urteil v. 9.3.2005, VIII ZR 394/03, ZIP 2005, 1085).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
InsO § 21 Abs. 2 Nr. 1, § 55 Abs. 2, §§ 60, 112
Kommentar
Der Eigentümer einer Wohnung hatte die Immobilie einem gewerblichen Zwischenvermieter zur Weitervermietung überlassen; dieser hat die Räume an den Endmieter vermietet. Im Herbst 2000 hat der Zwischenvermieter einen Insolvenzantrag gestellt. Mit Beschluss vom 28.11.2000 hat das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt über das Vermögen der Schuldnerin bestellt. Der Insolvenzverwalter hat dem Eigentümer mitgeteilt, dass er die von dem Endmieter geschuldeten Mieten weiter einziehe. Er könne diese Mieten aber nicht weiterleiten, da ein allgemeines Verfügungsverbot bestehe. Gleichwohl könne der Eigentümer das Mietverhältnis wegen der Kündigungssperre des § 112 InsO nicht kündigen.
Der Insolvenzverwalter hat die Mieten für Dezember 2000 und Januar 2001 eingezogen, aber nicht an den Eigentümer weitergeleitet. Der Eigentümer hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30.1.2001 fristlos gekündigt. Sodann hat er den Insolvenzverwalter auf Ersatz der Mieten für Dezember und Januar sowie der Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. In Betracht kommt zunächst ein Anspruch gegen die Masse auf Zahlung der Miete. Insoweit ist in § 55 Abs. 2 S. 2 InsO bestimmt, dass Verbindlichkeiten aus einem Mietverhältnis Masseverbindlichkeiten sind, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Mietsache in Anspruch nimmt. Allerdings gilt diese Regelung nur für den vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO; sog. starker (vorläufiger) Verwalter). Auf den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO; sog. schwacher (vorläufiger) Verwalter) ist § 55 Abs. 2 InsO nach ständiger Rechtsprechung weder unmittelbar noch analog anwendbar.
Werden die Mieten nicht an den Eigentümer weitergeleitet, hat dieser das Recht zur fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, wenn ein Verzug in der dort genannten Höhe gegeben ist. Der VIII. Senat des BGH hat in dem Urteil vom 9.3.2005 (VIII ZR 394/03) darüber hinaus entschieden, dass ein Insolvenzverwalter eine grobe Pflichtwidrigkeit begeht, wenn er erklärt, dass er keine Miete zahlen will. In einem solchen Fall kann der Vermieter nach § 543 Abs. 1 BGB kündigen. Daraus folgt: Will der Insolvenzverwalter die Mietsache weiterhin für die Insolvenzmasse nutzen, muss er die Miete bezahlen.
Dies führt zu der Frage, ob der Insolvenzverwalter persönlich haftet, weil er gegenüber dem Eigentümer behauptet hat, dass eine Kündigung ausgeschlossen sei. Dies wird vom BGH verneint, weil dem Eigentümer durch die fehlerhafte Auskunft kein Schaden entstanden sei. Der Eigentümer hat nämlich auf die Richtigkeit der Auskunft nicht vertraut, sondern von der Kündigungsbefugnis Gebrauch gemacht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 24.01.2008, IX ZR 201/06BGH, Urteil v. 24.1.2008, IX ZR 201/06, NJW 2008, 1442 m. Anm. Schulte = MietRB 2008, 205