Leitsatz
Eine vom Vermieter in einem Gewerberaummietvertrag verwendete formularmäßige Klausel, wonach eine Minderung der Miete ausgeschlossen ist, wenn die Nutzung der Räume durch Umstände beeinträchtigt wird, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie die Minderung insoweit vollständig ausschließt und dem Mieter nicht die Möglichkeit der Rückforderung der Miete nach § 812 BGB belässt.
Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deswegen unwirksam.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 536, 305c Abs. 2, § 307 Abs. 2
Kommentar
Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Gewerberäume zum Betrieb eines physikalischen Therapiezentrums. In § 16 des Formularmietvertrags ist Folgendes geregelt: "Eine Minderung der Miete ist ausgeschlossen, wenn durch Umstände, die der Vermieter nicht zu vertreten hat (z. B. Verkehrsumleitung, Straßensperrungen, Bauarbeiten in der Nachbarschaft usw.), die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtigt wird (z. B. Umsatz- und Geschäftsrückgang)."
Ab Juni 2001 wurden in der Nachbarschaft Abriss- und Neubauarbeiten durchgeführt, die mit erheblichen Lärm- und Erschütterungsbelastungen verbunden waren. Der Mieter hat die Miete aus diesem Grund gemindert. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Minderung aufgrund der Klausel in § 16 des Mietvertrags ausgeschlossen ist.
Der BGH erachtet die Klausel für unwirksam: Nach allgemeiner Ansicht ist die Miete zu mindern, wenn der Mietgebrauch durch einen Mangel beeinträchtigt wird; hierzu zählen auch Störungen durch Lärm und Erschütterungen durch Baumaßnahmen in der Nachbarschaft (Blank/Börstinghaus, Miete, § 536 BGB Rdn. 14 m. w. N.). Die vereinzelt vertretene Meinung, dass die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sind, wenn die Gebrauchsstörung durch Umstände verursacht wird, die der Vermieter nicht beherrschen kann (OLG Düsseldorf, Urteil v. 18.11.1997, 24 U 261/96, NZM 1998, 481 betr. Beeinträchtigung durch Straßenbauarbeiten), teilt der BGH nicht: Die Minderung setzt kein Verschulden voraus. Ebenso spielt es keine Rolle, ob der Vermieter den Mangel beseitigen kann. Diese Ansicht beruht auf der zutreffenden Erwägung, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durch den Mangel gestört ist und die geminderte Leistung durch eine geminderte Miete kompensiert werden muss.
Bei der Geschäftsraummiete können die Parteien – anders als bei der Wohnraummiete – das aus § 536 BGB folgende Minderungsrecht beschränken oder ausschließen. Solche Regelungen können auch in einem Formularvertrag getroffen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH kann vereinbart werden, dass der Mieter im Fall eines Mangels nicht zur Kürzung der Miete berechtigt ist; dem Mieter muss allerdings die Möglichkeit verbleiben, eine überzahlte Miete nach § 812 BGB zurückzufordern (BGH, Urteil v. 27.1.1993, XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519). Der vollständige Ausschluss der Rechte aus § 536 BGB ist dagegen nicht möglich (BGH, Urteil v. 12.3.2008, XII ZR 147/05).
Der BGH führt aus, dass die Klausel in § 16 des Mietvertrags unklar sei. Die Klausel könne dahingehend ausgelegt werden, dass nur die Minderung im Wege der Mietkürzung ausgeschlossen werden soll. Denkbar sei aber auch, dass die Rechte aus § 536 BGB insgesamt ausgeschlossen werden sollen.
Ist eine Vertragsklausel unklar, gilt die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB. Danach sind mehrdeutige Klauseln nach der kundenfeindlichsten Variante auszulegen. Diese Regelung gilt auch im Individualprozess. Nach der kundenfeindlichsten Auslegung wird die Minderungsbefugnis bei Mängeln, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, insgesamt ausgeschlossen.
Nach dieser Lesart verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Der BGH führt hierzu aus, dass das Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu den tragenden Grundgedanken des Schuldrechts zählt. Die vertragliche Aufhebung dieses Äquivalenzprinzips ist deshalb als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB zu bewerten.
Ein Minderungsausschluss kann nach bisheriger Rechtsprechung des BGH wirksam vereinbart werden, wenn sich aus der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass das Recht des Mieters zur Rückforderung der überzahlten Miete aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung unberührt bleibt (BGH, Urteil v. 27.1.1993, XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519).
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch eine solche Klausel bedenklich ist, weil der Bereicherungsanspruch im Fall der Insolvenz des Vermieters nicht mehr zu realisieren ist. Dies ist gerade bei der Gewerbemiete von großer Bedeutung (dazu Feldhahn, ZMR 2008, 89, 91 ff.). Der BGH hat sich mit diesem Problem noch nicht befasst.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 23.04.2008, XII ZR 62/06BGH, Urteil v. 23.4.2008, XII ZR 62/06, NJW 2008, 2497 m. Anm. Lammel = jurisPR-MietR 19/2008 Anm. 3