Leitsatz
a) Mietvertragliche Abreden zur Beschaffenheit der Mietsache können auch konkludent in der Weise getroffen werden, dass der Mieter dem Vermieter bestimmte Anforderungen an die Mietsache zur Kenntnis bringt und dieser zustimmt. Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt dafür jedoch selbst dann noch nicht, wenn sie dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert.
b) Ein Mieter kann nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Vermieter Veränderungen am Gebäude, die durch die Nutzungsbedürfnisse anderer Mieter erforderlich werden, unterlässt, wenn dies zwar zu einer Steigerung der Geräuschimmissionen führt, die Belastung aber auch nach der Veränderung noch den technischen Normen genügt, deren Einhaltung der Vermieter schuldet.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 535 Abs. 1 Satz 2, 536 Abs. 1
Kommentar
Die Parteien schlossen im Jahr 1972 einen Mietvertrag über eine im 4. OG eines Wohn- und Geschäftshauses gelegene Wohnung, die in dem Mietvertrag wie folgt bezeichnet ist: "3 Zimmer, 1 Küche, 1 Flur, 1 Bad ... 1 Kammer".
Die Küche, der Flur und das Bad werden über Fenster belichtet und belüftet, die sich zu einem auf der Rückseite des Gebäudes gelegenen ca. 16 qm großen Lichthof öffnen. Vom Flur führt eine Tür zu einer auf dem Dach gelegenen Freifläche, die vom Mieter als Terrasse genutzt wird.
Im Erdgeschoss des Gebäudes befand sich bei Vertragsbeginn im Jahr 1972 eine Bankfiliale. Seit dem Frühjahr 2000 sind die Räume an den Betreiber eines Fischrestaurants vermietet. Dieser installierte dort eine Lüftungsanlage, deren Abluftrohr durch den Lichthof auf eine Höhe über Dach geführt wurde. Der Mieter beanstandet, dass die Nutzung seiner Wohnung und der Freifläche wegen der Abluftgeräusche beeinträchtigt sei. Er ist der Ansicht, der Vermieter müsse dafür sorgen, dass die Abluftanlage in den Abend- und Morgenstunden nicht betrieben werde. Außerdem begehrt der Mieter die Feststellung, dass die Miete zu mindern sei.
Die Klage des Mieters hatte keinen Erfolg.
Zu Leitsatz a
Der BGH befasst sich zunächst mit der Frage, ob der Mieter gegen den Vermieter einen vertraglichen Anspruch auf ungestörte Nutzung der Freifläche hat. Hierbei fällt ins Gewicht, dass die Freifläche bei der Beschreibung des Vertragsgegenstands nicht aufgeführt ist. Eine mündliche Zusatzabrede betreffend die Nutzung der Freifläche gab es ebenfalls nicht. Zwar sei im Allgemeinen davon auszugehen, dass Zubehörräume hinter der Wohnungsabschlusstür als mitvermietet gelten. Gleiches gelte für Außenflächen, "die allein von der vermieteten Wohnung aus betreten werden können und deshalb nur für eine alleinige Benutzung durch den Mieter in Betracht kommen". Damit sind Balkone, Loggien und zur Wohnung gehörende Terrassen und Dachgärten angesprochen. Hierzu gehöre die fragliche Freifläche aber nicht, weil diese nicht der Wohnung zugeordnet sei. Der Umstand, dass der Mieter die Freifläche seit 28 Jahren für seine Zwecke nutzt, habe für sich allein nicht zur Folge, dass diese Vertragsgegenstand geworden sei.
Zu Leitsatz b
In einem zweiten Teil der Entscheidung vertritt der BGH die Ansicht, dass eine gegenüber dem Vertragsschluss verstärkte Lärmbelastung mangels einer besonderen Vereinbarung nicht als Mangel zu bewerten sei, wenn und soweit die Belastung das übliche Maß nicht überschreitet. Soweit technische Normen existieren, werde das übliche Maß hierdurch bestimmt. Vorliegend richte sich der zulässige Immissionsrichtwert nach der TA Lärm vom 26.8.1998. Dieser Richtwert werde nicht überschritten.
Die Entscheidung des BGH zu Leitsatz a besagt im Grundsatz, dass durch die bloße Duldung einer vom Vertrag nicht erfassten Nutzung der Vertragsgegenstand nicht erweitert wird. Solche Fälle sind in der Praxis nicht selten, etwa wenn Mieter ihre Fahrzeuge im Hof des Anwesens abstellen oder den Raum vor der Wohnungsabschlusstür zum Abstellen von Schuhen oder dergleichen nutzen. In diesen Fällen erwirbt der Mieter auch dann kein Nutzungsrecht, wenn der Vermieter hiergegen nichts unternimmt. So gesehen hat die Entscheidung über den entschiedenen Fall hinaus durchaus praktische Bedeutung.
Die im Leitsatz b wiedergegebenen Ausführungen behandeln das grundsätzliche Problem, welche Rechtsfolgen sich bei einer nachteiligen Veränderung des Wohnumfelds nach Vertragsschluss ergeben. Nach einer Auffassung wird der vertragsgemäße Zustand von den Anschauungen der Parteien bei Vertragsschluss bestimmt (so z. B. Emmerich in: Staudinger (2006), § 536 BGB Rdn. 12). Diese Auffassung beruht auf der Erwägung, dass sich die bei Vertragsschluss gegebenen positiven und negativen Merkmale der Mietsache im Mietpreis niederschlagen. Folgerichtig mindert sich die Miete, wenn ein ursprünglich vorhandenes positives Merkmal entfällt. Umgekehrt ist es bei der Mieterhöhung nach § 558 BGB zugunsten des Vermieters zu berücksichtigen, wenn die Wohnung (etwa infolge von verkehrsleitenden Maßnahmen) aufgewertet wird.